Nollendorfplatz + Winterfeldtplatz
Schöneberg zeigt Regenbogen-Flagge
Wo einst die Bohème der 1920er Jahre die Nacht zum Tag machte, prägen heute Regenbogenfahnen, Szene-Bars, Kultur und gelebte Community den Alltag. Wie kein anderer Berliner Kiez steht der Nollendorfplatz in Schöneberg für queeres Leben. Dabei ist die Vielfalt, die heute selbstverständlich wirkt, das Ergebnis eines jahrzehntelangen Kampfes um Sichtbarkeit, Rechte und Selbstbestimmung. Erleben Sie einen der buntesten, bewegendsten und geschichtsträchtigsten Kieze der Stadt.
Eldorado, Isherwood & und die Golden 1920er
Die Gegend rund um den Nollendorfplatz ist bereits seit den 1920er Jahren ein Mekka der queeren Szene. Marlene Dietrich und Claire Waldoff vergnügen sich im Eldorado, damals dem berüchtigsten Nachtclub der Stadt. Hier, vor der Tür an der Motzstraße 24, drängen sich die Menschen, die Männer in makellosen Anzügen, die Frauen in glitzernden Pailletten-Kleidern. Oder sind es Männer in Frauenkleidern? Die Grenzen verschwimmen. Und was draußen als tabu gilt, wird drinnen gefeiert.
Heute befindet sich hier ein Biomarkt, die "Speisekammer im Eldorado", wie der Schriftzug am Eingang verkündet. Nur 350 Meter entfernt, in der Nollendorfstraße 17, erinnert eine Gedenktafel an Christopher Isherwood, der ebenfalls im Kiez lebte. Auf seinen Berlin Stories basiert das weltbekannte Film-Musical Cabaret.
Queere Szene, Kultur & gelebte Community
Zwar gehören die lebensfrohen Golden 1920er Jahre mittlerweile der Vergangenheit an, dennoch gibt es hier weiterhin viel zu erleben. Von Fugger- und Motzstraße bis zur Maaßenstraße und dem Nollendorfplatz machen die unterschiedlichsten Bars, Clubs, Restaurants und Läden den Nollendorfkiez zum einen beliebten Ausgehviertel für die schwule & queere Szenen.
Ob Cafés, Restaurants, Bars, Fitness-Studio, Boutique oder Buchhandlung: viele Angebote richten sich speziell an das LGBTQI+-Publikum. Und allerorten sehen Sie heute in Schöneberg die Regenbogen-Flagge.
Passend dazu leuchtet die Kuppel am U-Bahnhof Nollendorfplatz seit 2013 in Regenbogenfarben, ein Zeichen für die Toleranz und Vielfalt des Kiezes. Gleich davor steht seit der Jahrtausendwende eine Stele des Berliner Künstlers Salomé, ein phallischer Metallstift in Regenbogenfarben mit rosa Spitze, gestiftet von den Wirten schwuler Lokale. Ein Zeichen des Selbstbewusstseins.
Auf einer KiezTour rund um den Nollendorfplatz begleitet euch eine echte Berliner Drag-Queen durch diesen ältesten queeren Kiez Europas und gibt euch Einblicke zur Historie und zu aktuellen Entwicklungen. In unserem Podcast-Folge Eisenherz und Siegessäule schauen wir gemeinsam mit drei Ikonen hinter die Kulissen des Regenbogen-Kiezes. Hören Sie gerne mal rein!
Mahnzeichen & Erinnerungsorte
Dass ein buntes Miteinander keine Selbstverständlichkeit ist, daran erinnert der Rosa Winkel, der am U-Bahnhof seit 1982 an die Zeiten der Verfolgung und Ermordung Homosexueller im Dritten Reich erinnert. Häufig liegen Blumen davor.
Dazu kommen so genannte Stolpersteine. Sie befinden sich auf den Gehwegen vor den Häusern, in denen während der NS-Zeit deportierte und ermordete Menschen wohnten. Seit 2011 gibt es sie in Schöneberg auch für homosexuelle Männer. Zum Beispiel in der Motzstraße Nr. 9 für Albrecht Krosigk und Nr. 30 für Otto Hampel.
Und seit 2019 erinnert in der Bülowstr. 94 eine großformatige Hauswand mit dem Porträt von Walter Degen an die KZ-Internierungen Homosexueller. Es ist das Street-Art-Kunstwerk des Künstlers Nils Westergard mit dem Titel „The UNforgotten“.
Auch im Tiergarten erinnert ein Denkmal an die im Nationalsozialisten verfolgten Homosexuellen. Durch ein kleines Fenster erspähen Sie im Inneren des Betonquaders einen Kuss, eine berührende Liebesszene zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Partnern, die l als Film in Endlosschleife läuft.
CSD, Pride Month & Queeres Nachtleben
Mitte Juli erleben Sie hier im Kiez ein Wochenende lang das Lesbisch-Schwule Straßenfest. Mit mehr als 350.000 Besuchern gehört es weltweit zu den größten Festivals seiner Art und ist ein fester Programmpunkt der Berliner Pride Weeks von Anfang bis Ende Juli. Während des Pride Month finden mehr als 200 Veranstaltungen aus Kultur, Politik und Sport statt. Neben dem Lesbisch-Schwulen Straßenfest in der Motzstraße zählen dazu unter anderem der Christopher Street Day, der CSD auf der Spree und viele andere queere Partyreihen und Formate.
Einige Kneipen und Cafés sind über die Jahre zu wahren Institutionen der Szene geworden: Beobachten Sie bei Kaffee und Kuchen das bunte Treiben auf der Maaßenstraße. Kulinarisch deftiger geht es in der urig-gemütlichen Raststätte Gnadenbrot oder dem Restaurant Elefant zu.
Zum entspannten Einstieg in den Abend bietet sich der Hafen an, oder Sie beginnen die Nacht in der exklusiv anmutenden Heilen Welt. Das Prinzknecht ist vor allem für seine ausgelassenen Motto-Partys bekannt. Und natürlich gibt es noch viele weitere Clubs, in denen gerne gefeiert wird.
Die Leder- und Fetischszene, die in Schöneberg besonders ausgeprägt ist, zieht es zum Beispiel ins New Action. Die Lesben-Szene trifft sich in der Frauenkneipe Begine, in der auch kulturelle Events und Partys stattfinden.
Und zur Vorweihnachtszeit lädt die queere Community zu Winterdays und Christmas Avenue unter die bunt beleuchteten Hochbahn am Nollendorfplatz. Hier können Sie sich zwischen glitzernden Ständen bei Drag Bingo und Aperol o'clock festlich-fröhlich auf die Feiertage einstimmen.
Wie kommen Sie am besten zum Nollendorfplatz und Winterfeldtplatz?
Sie erreichen den Kiez am besten, indem Sie am Nollendorfplatz aussteigen. Hierhin kommen Sie mit der U1, U2, U3, U4. Vom Nollendorfplatz laufen Sie noch circa 10 Minuten zum Winterfeldtplatz. Mit den Buslinien 204 oder M19 können Sie auch direkt bis zur Haltestelle Winterfeldtplatz fahren. Nachts fahren die Nachtbuslinien N1 und N2 hier ebenfalls.
FAQ – Häufige Fragen zum Besuch des Nollendorfkiezes
Wann ist die beste Zeit, den Nollendorfkiez zu besuchen?
Der Kiez ist das ganze Jahr über lebendig. Besonders stimmungsvoll sind die Sommermonate, wenn viele Events und Open Air-Aktivitäten stattfinden. Während des Pride Month im Juli ist besonders viel los – perfekt, wenn Sie das queere Leben Berlins intensiv erleben möchten.
Welche Veranstaltungen sollte ich nicht verpassen?
Zu den Highlights zählen das Lesbisch-Schwule Straßenfest, der Christopher Street Day (CSD), der CSD auf der Spree sowie zahlreiche queere Partys, Kultur- und Community-Events. Auch außerhalb der Pride Weeks finden regelmäßig Konzerte, Lesungen, Partys und Ausstellungen statt.
Ist der Nollendorfkiez auch tagsüber sehenswert?
Auf jeden Fall. Boutiquen, Buchläden, etwa Eisenherz, und andere queere Geschäfte und gemütliche Cafés prägen den Kiez ebenso wie historische Orte, Gedenktafeln und Street Art. Tagsüber zeigt der Kiez seine entspannte, kreative und bunte Seite.
Wie sicher ist der Nollendorfkiez?
Der Kiez gilt als einer der offensten und sichersten Orte Berlins für die LGBTQI+-Community. Wie überall in Großstädten sollte man nachts auf die üblichen Dinge achten, aber insgesamt ist die Atmosphäre respektvoll und tolerant.
Kann man eine geführte Tour durch den Kiez machen?
Ja. Es gibt spezielle KiezTouren, die von einer Berliner Drag-Queen begleitet werden. Sie bieten spannende Einblicke in die queere Geschichte und Gegenwart des Viertels.
Welche historischen Orte sollte ich gesehen haben?
Unbedingt empfehlenswert sind das ehemalige Eldorado in der Motzstraße 24, die Gedenktafel für Christopher Isherwood in der Nollendorfstraße 17, die Magnus-Apotheke in der Motzstraße 11, die mit ihrem Namen dem Begründer der Homosexuellenbewegung, Magnus Hirschfeld, die Ehre erweist. Außerdem finden Sie hier einige Stolpersteine, die an die Verfolgung queerer Menschen im Nationalsozialismus erinnern.
Gibt es queere Angebote speziell für Frauen?
Ja. Die Begine ist ein etablierter Treffpunkt für die lesbische und queere Frauenszene, mit Kulturprogramm, Partys und Cafébetrieb. Dazu laufen Sie etwa acht Minuten vom Nollendorfplatz die Bülowstraße hinunter Richtung Gleisdreieck und biegen dann rechts in die Potsdamer Straße ab.
Eignet sich der Nollendorfkiez auch für einen Besuch mit Familie oder Freund:innen, die nicht queere Szene suchen?
Absolut. Der Kiez ist für alle offen und bietet eine Mischung aus Gastronomie, Kultur, Geschichte und entspanntem Kiezleben – ein schönes Erlebnis unabhängig von der eigenen Identität oder Community-Zugehörigkeit.


