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Siedlung Schillerpark
Schillerpark housing estate, Bruno Taut 1924-1930, Berlin Wedding © visitBerlin, Foto: Angela Kröll

Siedlung Schillerpark

Innovatives Wohnen in Wedding

Im ersten Wohnungsbauprojekt in Berlin realisiert der Architekt Bruno Taut mit Erfolg seine neuartigen städtebaulichen Ideen.

1924: Dringend benötigter Wohnungsbau

1924 ist ein wichtiges Jahr für die Entwicklung des Berliner Wohnungsbaus. Martin Wagner, der damalige Stadtbaurat von Schöneberg, regt die Einführung einer Hauszinssteuer an. Hausbesitzer, die durch die starke Geldentwertung praktisch schuldenfrei geworden sind, müssen von nun an eine Steuer abführen. Damit beteiligt die erst wenige Jahre zuvor vereinigte Stadt Groß-Berlin sie an den Kosten für den dringend benötigten Wohnungsbau.
Noch im selben Jahr beginnen die Arbeiten am ersten innerstädtischen Wohnungsbauprojekt Berlins. Der Bauträger, der genossenschaftliche Berliner Spar- und Bauverein, entscheidet sich für ein Gelände im Norden der Stadt. Hier entstehen zwischen 1924 und 1930 in drei Bauabschnitten insgesamt 303 Wohnungen.

Die Siedlung Schillerpark soll nicht das einzige Projekt dieser Art bleiben. Während ihrer Bauzeit entstehen weitere Anlagen, etwa die Großsiedlung Britz, die Weiße Stadt in Reinickendorf, die Wohnstadt Carl Legien und die Großsiedlung Siemensstadt. Sie alle zählen heute zusammen mit der Vorkriegssiedlung Gartenstadt Falkenberg zum Unesco-Welterbe Siedlungen der Berliner Moderne.

Verbesserung der Wohnverhältnisse

Als Architekten verpflichtet der Berliner Spar- und Bauverein Bruno Taut. Dieser hat vor dem Krieg bereits die Gartenstadt Falkenberg geplant. Seitdem sind zehn Jahre vergangen. Taut hat sich mit anderen bedeutenden Architekten der Moderne, wie Hans Scharoun und Walter Gropius, ausgetauscht. In der Folge setzt er sich mit der Frage auseinander, wie er die Bedingungen im Massenwohnungsbau verbessern kann. Nun, im Jahr 1924, bekommt er die Möglichkeit, einige seiner Ideen umzusetzen.
In der Siedlung Schillerpark experimentiert Bruno Taut mit Grundriss-Typologien. In Berlin herrscht in den 1920er Jahren nach wie vor der Typus Blockrandbebauung aus der Gründerzeit vor: geschlossene Hausflügel, die sich um einen Innenhof gruppieren. Diese Art der Bebauung führt zu einem Mangel an Licht und Luft in den Höfen und Hinterhäusern.
Damals eine echte Neuerung: In der Siedlung Schillerpark bricht der Architekt diese Geschlossenheit auf. Seine Häuser ordnen sich zwar wie bei der Blockrandbebauung parallel zur Straße und rings um große Höfe an. Aber die Hauszeilen öffnen sich an mehreren Stellen und sind dadurch von der Straße aus erreichbar.

Flachdächer und Backstein: Einfluss aus den Niederlanden

Bei der Gestaltung der Häuser folgt Bruno Taut ebenfalls anderen Prinzipien als vor dem Krieg. Aus traditionellen Satteldächern sind in der Siedlung Schillerpark flache Pultdächer geworden. Was heute ein allgegenwärtiger Anblick ist, war damals ungewohnt.

Die Inspiration für die flachen Dächer und roten Backsteinfassaden stammt aus den Niederlanden. Dorthin hat Taut Anfang der 1920er Jahre eine Studienreise unternommen. Sowohl in die Unterteilung der Räume als auch in die Gestaltung der Außenfassaden fließen deshalb Elemente des Architekturstils der „Amsterdamer Schule“ ein.

Anders als in der „Tuschkastensiedlung“ der Gartenstadt Falkenberg oder in der Wohnstadt Carl Legien nutzt der Architekt in der Siedlung Schillerpark keine Wandfarben als wichtigstes Gestaltungsmittel.Die Fassaden sind hauptsächlich durch die räumliche Gliederung von Vorsprüngen, Fenstern und Loggien gestaltet. Besonders reich an Details ist die Front der Häuserzeile in der Bristolstraße mit ihren Eisenbetonstützen zu beiden Seiten des Eingangs.
Für weitere Fassaden der Siedlung sieht Taut eine zurückhaltendere Gestaltung vor. Damit folgt er, trotz Hauszinssteuer, dem allgemeinen Kostendruck und dem Trend in der Architektur zu immer minimalistischeren Ausdrucksmitteln.
Die Wohnungen bieten ihren Mietern durch Süd- und Südwestlage viel Licht. Jede von ihnen verfügt über eine Loggia, ein eigenes Badezimmer und zwischen anderthalb und viereinhalb Zimmern.

An das Bauen mit Mitteln aus der Hauszinssteuer sind Bedingungen geknüpft: Kein Gebäude soll höher sein als drei Vollgeschosse (dazu zählen nicht die Dachgeschosse, wie es sie auch am Schillerpark gibt). Und jede Wohnung soll zumindest ein Zimmer mit 20 Quadratmetern Fläche haben. In der Siedlung Schillerpark befolgt Bruno Taut beide Vorgaben.

Gemeinschaftsgefühl und Kraft tanken im Außenraum

Die Wohnhöfe werden durch ihre Öffnung zur Straße zu einem halböffentlichen grünen Außenwohnraum. Ein solches Einbeziehen der Umgebung in die Wohnentwürfe ist ein wichtiger Aspekt von Tauts Architektur.
In den begrünten Wohnhöfen können die Bewohner verweilen, ihre Kinder spielen lassen und Kraft tanken – ein völlig neues Konzept zu dieser Zeit. Ebenso wichtig: die soziale Funktion des Außenwohnraums. Hier können die Bewohner sich treffen, austauschen und ein Gefühl von Gemeinschaft aufbauen.

Ein gemeinschaftliches Siedlungsgefühl entsteht jedoch nicht nur durch soziale Begegnungen vor den Wohnungstüren. Bruno Tauts Konzept sieht auch einen Kindergarten, gemeinsam genutzte Waschräume und ein Lebensmittelgeschäft vor. Ab 1930 folgt die Umsetzung des Konzepts.
Solidarität unter den Mietern der Siedlung entsteht nicht zuletzt dadurch, dass die meisten von ihnen einem ähnlichen sozialen Milieu angehören. Vor allem Wähler und Mitglieder linker Parteien wie der SPD und der KPD leben vor dem Zweiten Weltkrieg am Schillerpark. Ein Bauabschnitt ist für Gewerkschaftsfunktionäre reserviert. Deshalb titulieren einige die Siedlung zu dieser Zeit als „rote Bonzenburg“.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 müssen viele der ursprünglichen Bewohner ausziehen. Während sie ins Gefängnis oder in Konzentrationslager verbracht werden, ziehen am Schillerpark dem NS-System nahestehende Mieter ein. Den Plan der neuen Machthaber, Bruno Tauts innovative Architektur durch traditionelle Elemente zu verändern, vereitelt der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Neustart ab 1951

Die Siedlung Schillerpark erleidet im Zweiten Weltkrieg größere Schäden. Erst 1951 kommt unter der Leitung von Bruno Tauts Bruder Max Taut der Wiederaufbau in Gang.
Hans Hoffmann, der leitende Architekt der Baugenossenschaft, erweitert die Siedlung zwischen 1954 und 1959 um Bauten zwischen Corker Straße und Holländer Straße. Der heute auch als „Glas-Hoffmann“ bekannte Architekt baut raumhohe Blumenfenster in die Wohnungen ein. Die ungewöhnlich großen Fenster stellen eine Verbindung zwischen Innen- und Außenraum her.

In den 1990er und 2000er Jahren erfolgen Sanierung und Instandsetzung der Siedlungsgebäude und der Landschaftsarchitektur.

Unsere Tipps rund um die Siedlung Schillerpark

Mit dem Bus 120 ist die Welterbesiedlung Weiße Stadt an der Aroser Allee gut zu erreichen. Die Haltestelle finden Sie an der Bristol-, Ecke Barfusstraße. Wenn Sie die U6 zurück in die Innenstadt nehmen, lohnt es sich, an der Seestraße auszusteigen und in der Brüsseler Straße 21 das 1923 von Ernst Friedrich gegründete Antikriegsmuseum zu besuchen. Auf der gleichen U-Bahn-Linie, an der Station Leopoldplatz mitten in Wedding, finden Sie die Alte Nazarethkirche, eine von vier Vorstadtkirchen, die 1832 bis 1835 nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel ausgeführt wurde.

Umfassende Informationen zu den Bauten der Berliner Moderne und ihrer Geschichte finden Sie auf unserer Webseite:

Zur Architektur der Berliner Moderne

Grand Tour der Moderne

Zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum im Jahr 2019 entwickelte der Bauhausverbund eine Grand Tour der Moderne, die Architekturfans durch ganz Deutschland führt. Die Siedlung Sillerpark ist Bestandteil dieser Themenroute.

Die weiteren Berliner Standorte als Grand Tour der Berliner Moderne:

Grand Tour der Berliner Moderne

Praktische Infos von visitBerlin

Die Siedlung Schillerpark erreichen Sie am besten fußläufig vom U-Bahnhof Rehberge der Linie U6. Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.

Eine Bitte in eigener Sache

Das Hansaviertel ist ein ausgewiesenes Flächendenkmal. Gleichzeitig ist sie aber auch das Zuhause vieler Menschen, die hier wohnen und arbeiten. Diese pflegen das Denkmal und helfen, die Erinnerung zu bewahren.
Bitte berücksichtigen Sie dies bei Ihrer Besichtigung. Vielen Dank!