
100 Jahre Bauhaus im Überblick
Berliner Architekturgeschichte
Das gesellschaftliche und kulturelle Zentrum Deutschlands faszinierte und forderte die Protagonisten des Bauhauses. Berlin verkörperte in den 1920er Jahren den Mythos der Moderne. Soziale und politische Gegensätze standen einem schillernden Kulturleben gegenüber. Gemeinsam mit der typischen Berliner Ruppigkeit boten sie die perfekte Inspirationsfläche für die revolutionären Ideen der Bauhauskünstler:innen. Das Bauhaus löste sich von Traditionen – damit passte es perfekt zu der innovativen Industriemetropole Berlin um 1920.
Berlin war Wirkungsort, Lebensmittelpunkt und künstlerischer Nährboden vieler bedeutender Bauhäusler: Walter Gropius, in Berlin geboren und Gründungsdirektor des Bauhauses 1919 in Weimar, hatte sein Architekturbüro in Berlin. Mies van der Rohe kam bereits vor dem ersten Weltkrieg nach Berlin und blieb bis 1938. Beide lernten in Peter Behrens‘ Berliner Architekturbüro in den 1910er Jahren zusammen mit Le Corbusier. Behrens, der als Pionier des modernen Industriedesigns und Erfinder des Corporate Design gilt, prägte seine jungen Kollegen maßgeblich. Auch der Bauhausmeister Johannes Itten zog 1926 nach Berlin und gründete hier seine private Kunstschule. Namhafte Künstler wie Kandinsky und das Ehepaar Moholy-Nagy wirkten in Berlin.
Geschichte des Bauhauses: Weimar, Dessau, Berlin
Walter Gropius gründete 1919 in Weimar die Hochschule für Gestaltung, das sogenannte „Staatliche Bauhaus Weimar“. Leitgedanke des Bauhauses war – ausgehend von der Architektur – sämtliche Künste wie die bildende, angewandte und darstellende Kunst zu einem Gesamtkunstwerk zu vereinen. Die Gleichstellung von Handwerker und Künstler, Lehrer – dem sogenannten Bauhaus Meister – und seinem Schüler zur Aufhebung gesellschaftlicher Ungleichheit zählte zu den vormals radikalen Ideen des Bauhauses. Dem als Architekten und Formgestalter aus Werkbund-Kontexten längst bekannten Gropius gelang es rasch, geschätzte Künstler wie Johannes Itten, Lyonel Feininger, Paul Klee, Wassily Kandinsky, Oskar Schlemmer und im Laufe der Zeit László Moholy-Nagy sowie Josef Albers als Meister für das Bauhaus zu gewinnen. Unterschiedliche Herkunft, Ausbildung und Ausrichtung der insgesamt drei Direktoren der Akademie sowie aller Lehrenden sorgten für ein ausgesprochen freies und experimentelles Klima.
In Dessau trat als zweiter Direktor der Schweizer Architekt Hannes Meyer an die Stelle von Gropius und konzentrierte sich vor allem auf die sozialen Aspekte von Architektur. Unter dem Motto ‚Volksbedarf statt Luxusbedarf’ wandte er sich verstärkt der industriellen Massenproduktion zu, unter anderem um Bauhaus-Produkte der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Sein Nachfolger Mies van der Rohe, 1930 zum Direktor berufen, richtete sein Augenmerk auf ästhetische Gesichtspunkte der Architektur. Mies van der Rohe war es auch, der 1932 mit dem Bauhaus nach Berlin zog. Die aufgrund politischen Drucks nun mittlerweile privatisierte Hochschule wurde im April 1933 auf Betreiben der Nazis geschlossen.
Viele Verbündete des Bauhauses emigrierten ins Ausland und entwickelten dort die Ideen des Bauhauses weiter. Walter Gropius ging an die Harvard University um dort Architektur zu lehren, Mies van der Rohe ließ sich mit seinem Architekturbüro in Chicago nieder und begann wieder mit seiner Lehrtätigkeit. Laszlo Moholy-Nagy gründete in den USA das New Bauhaus. Tel Aviv zählt heute die meisten vom Bauhaus inspirierten Gebäude weltweit. In der ‚Weißen Stadt‘ finden sich rund 4.000 Gebäude im Bauhaus-Stil.
Frauen am Bauhaus
Eine weitere Besonderheit des Bauhauses: Männer und Frauen wurden von Beginn an gleichermaßen aufgenommen. 1919 schrieben sich 84 weibliche und 79 männliche Studierende ein. Doch Gleichberechtigung herrschte dennoch nicht. Viele der Lehrer diskriminierten die Studentinnen und ließen sie nicht in ihre Werkstätten und Kurse. Die Weberei war das einzige Gebiet am Bauhaus, das von einer Frau geleitet wurde. Nach ihrer Zeit in Weimar, Dessau und Berlin flohen viele der ehemaligen Schülerinnen ins Exil. Dort gründeten sie Design-Schulen, übernahmen Lehrtätigkeiten oder führten eine Handweberei. Doch ebenso wie ihre männlichen Kollegen wurden viele von ihnen ab 1933 politisch verfolgt. Trotz ihrer bahnbrechenden Entwürfe und Werke sind viele der Frauen am Bauhaus heute in Vergessenheit geraten. In den letzten Jahren nehmen immer mehr Ausstellungen und Publikationen die weiblichen Bauhäuslerinnen in den Blick.
Berliner Nachkriegsmoderne und Gegenwart

Aufgrund der NS-Zeit und den Folgen des zweiten Weltkriegs konnten dem Neuen Bauen verpflichtete Architekten erst wieder in den 1950er und zu Anfang der 1960er Jahre tätig werden. Walter Gropius, Eduard Ludwig und Max Taut nahmen an der Internationalen Bauausstellung in Berlin teil (IBA 1957), die im kriegszerstörten Hansaviertel in Berlin Tiergarten stattfand.

Die Bauten im Hansaviertel versammelt alle bedeutenden Architekten der Nachkriegsmoderne: Neben renommierten deutschen Architekten auch internationale Ikonen wie Le Corbusier, Alvar Aalto, Oscar Niemeyer und Arne Jacobsen. Verwirklicht wurde hier Scharouns Konzept der locker bebauten, durchgrünten Stadt mit einer Mischung aus Wohn- und Nutzbauten, wie Kirchen und einer Bibliothek.

Mies van der Rohe schuf mit der 1968 fertiggestellten Neuen Nationalgalerie seinen einzigen Bau in im Nachkriegs-Deutschland. Sie ist eine Ikone der Architektur des 20. Jahrhunderts: Der aus Stahl und Beton konstruierte quadratische Pavillon steht auf einem Granitsockel und ist das erste Museumsgebäude am damals entstehenden Kulturforum. Mies van der Rohe orientierte sich dabei an der klassischen Tempelform der Antike und erschuf eine moderne, schwerelose Version: Die obere Haupthalle ist komplett stützenfrei. Lediglich das Hauptdach wird von 8 Stahlstützen getragen.

Das nach Entwürfen von Gropius errichtete Bauhaus-Archiv wurde 1979 eröffnet und beherbergt die weltweit größte Sammlung zur Geschichte des Bauhauses mit zugehörigem Archiv. Die der Industriearchitektur entlehnten Sheddächer geben dem Gebäude seine markante Silhouette. Anlässlich des Jubiläums wird das Gebäude bis 2025 saniert und durch einen Neubau von Staab Architekten ergänzt. Mit dann 2000 Quadratmetern wird sich die Ausstellungsfläche verdreifachen. Das Bauhaus-Archiv ist während des Umbaus geschlossen.
Das Baustellen-Infocenter bietet den besten Blick auf die Bautätigkeiten und liefert zusätzlich Informationen rund um den Umbau. Die derzeitige Dependance, das temporary bauhaus-archiv, befindet sich im Haus Hardenberg, Knesebeckstraße 1-2.
Nachkriegsmoderne in Ost-Berlin

Hans Scharoun entwarf ab 1945 einen Bebauungsplan für die Neugestaltung Gesamt-Berlins mit einer lockeren Bebauung und Grünflächen. Beispielhaft wurden die Ideen in Friedrichshain mit den Laubenganghäusern von Ludmilla Herzenstein entlang der damaligen Stalinallee verwirklicht. Doch die endgültige Teilung Berlins verhinderte die weitere Umsetzung. Aus ideologischen Gründen wurde wurde Scharouns Bebauungsplan in der DDR in den 1950er Jahren verworfen, es entstand eine klassizistische Architektur die sich an die Monumentalarchitektur der Sowjetunion anlehnte. Beispiele sind die ersten beiden Bauabschnitte der Karl-Marx-Allee. Erst in den 1960er Jahren entstanden im starken Kontrast zurückhaltende funktionale Bauten wie das Kino International und diverse Pavillons.

Der Bauhausschüler Franz Ehrlich entwarf für den Rundfunk der DDR einen Gebäudekomplex, der von 1952-56 realisiert wurde. Auch hier sind Elemente des Bauhauses zu finden: zum Beispiel der verglaste Säulengang, der viel Licht in das Gebäude strömen lässt.
Das Funkhaus Berlin in der Nalepastraße in Oberschöneweide ist der größte zusammenhängende Studiokomplex der Welt und verfügt über eine legendäre, noch heute gern genutzte Akustik. Im mit edlem Holz verkleideten Sendesaal 1 finden regelmäßig Konzerte statt. Dirigent Daniel Barenboim nutzt den Saal für Aufnahmen mit der Staatskapelle Berlin.