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Kino International
Kino International © Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Wolfgang Bittner

Kino International

wegen Sanierung temporär geschlossen

Das einst wichtigste Premierenkino der ehemaligen DDR und heute bekannt für seine beeindruckende Architektur wird zur Zeit saniert und fit für die Zukunft gemacht.

Zwischen Strausberger Platz und Alexanderplatz entstehen 1959 bis 1965 die ersten industriell gefertigten Wohngebäude in Plattenbauweise. Die DDR löst sich damit vom Zuckerbäckerstil der Stalin-Ära, deren Bauten die Karl-Marx-Allee bis heute prägen.
Doch der sozialistische Wohnkomplex an der Karl-Marx-Allee in Mitte soll mehr sein als nur ein Ort zum Wohnen. Er erhält 1961 bis 1964 sein eigenes städtebauliches Zentrum: Zusatzgebäude für Kultur und Geselligkeit, wie das Café Moskau, die Mokka-Milch-Eisbar und das Kino International.
Den Entwurf für diese Zusatzgebäude zeichnet der Architekt Josef Kaiser. Als ehemaliger Chefplaner der Stalinstadt Eisenhüttenstadt hat sich Kaiser Anfang der 1950er Jahre am Zuckerbäckerstil orientiert. Jetzt sucht er den Anschluss an die Entwicklung im Westen. Unverkennbar ist die Ähnlichkeit des Kino International mit den seinerzeit neuesten Veranstaltungsbauten aus West-Berlin: Zoo-Palast und Deutsche Oper.

Ein offenes Haus

Ein Hingucker ist der erste Stock des Kinos. Stützenfrei ragt er neun Meter über die Fassade des Erdgeschosses hinaus – und scheint dadurch zu schweben. Im ersten Stock befindet sich auch der Kinosaal. Für ursprünglich 600 Zuschauer:innen bot er bei der Eröffnung 1963 eine hochmoderne Ausstattung: zum Beispiel eine Breitwand im Cinemascope-Format und eine perfekt auf den Raum abgestimmte Akustik. Für Besuche der DDR-Führung gibt es eine seperate Reihe mit extra viel Beinfreiheit und sogar einen eigenen Atomschutzbunker.
Die Fassade des Obergeschosses ist mit einer riesigen Fensterfront verkleidet – unterbrochen nur durch das jeweils aktuelle Filmplakat, das bis heute handgemalt ist. Kaiser will mit der Glasfassade die Bedeutung des Kinos als offenes Haus für alle unterstreichen. Jeder soll sich eingeladen fühlen – das Gebäude hat mehr zu bieten als ein Kino. Zu DDR-Zeiten organisiert der Jugendclub Klub International Konzerte mit neuen Bands. Auch die Stadtbezirksbibliothek findet in den Räumlichkeiten Platz.

Utopie und Realität

Wenn Sie die Gelegenheit haben, das Kino International zu besuchen, achten Sie nicht nur auf die Frontfassade mit dem Panoramafenster. Gehen Sie einmal um das Gebäude herum. Sie werden feststellen, dass die anderen drei Seiten überhaupt keine Fenster haben. Sie bestehen aus einem Relief der Künstler Waldemar Grzimek, Karl-Heinz Schamal und Hubert Schiefelbein. Deren 14 Betongussplatten tragen den Titel „Aus dem Leben heutiger Menschen“, zeigen aber vielmehr eine utopische Zukunftsvision: einen Ingenieur, der futuristische Maschinen steuert. Einen Schwerarbeiter, dessen Körperkraft nicht mehr gebraucht wird und der deshalb ein Buch studiert.

Der Widerspruch zwischen Utopie und Praxis ist nicht nur an der Fassade Programm. Wenn das SED-Regime Filme als zu kritisch empfindet, lässt sie diese frühzeitig absetzen. Trotzdem sehen damals auch die Machthaber manche Realitäten: Das Kino International muss westliche Produktionen zeigen, um sich zu finanzieren. Das führt zu einer spannenden Programmmischung. Im Kino International feiern preisgekrönte DDR-Produktionen wie Solo Sunny genauso Premiere wie ausgewählte Westfilme wie Cabaret und Dirty Dancing.

Die DDR geht 1989/90 unter, aber das Kino International bleibt. 1992 übernimmt die Yorck-Gruppe das Haus und betreibt es noch heute. Hier laufen europäische und Independent-Produktionen, teilweise auch in Originalsprache. Zudem ist der denkmalgeschützte Bau Spielort der Berlinale. Ob Robert Redford, Steven Spielberg, Tilda Swinton oder Wim Wenders – die Größen der internationalen Filmszene waren hier alle schon einmal zu Gast.

Vom Mauerfall zum Mongay

Am Abend des 9. November 1989 feiert der Film „Coming Out“ im Kino International Premiere. Der Titel verrät einiges über den damals brisanten Inhalt des Films. Er begleitet einen jungen Lehrer in Ost-Berlin, der seine Homosexualität erkennt. Während der ersten von zwei Vorstellungen fällt die Berliner Mauer. Die Zuschauer:innen erleben zuerst eine bahnbrechendes Sensation auf der Leinwand und später auf den Straßen vor dem Kino. In Erinnerung an diese Ereignisse des 9. November zeigt das Kino International seit 1997 jeden Montag einen aktuellen queeren Film. Der Mongay ist damit die älteste queere Filmreihe Deutschlands.

Unsere Tipps rund um das Kino International

Wenn das frisch sanierte Kino International wieder eröffnet, sollten Sie sich einen Besuch nicht entgehen lassen. Genießen Sie vor einem Film auch den Aufenthalt in der Panorama-Bar, in der Sie dank der Glasfassade einen hervorragenden Blick auf die Karl-Marx-Allee haben. Das International ist nicht nur Kino, sondern auch Eventlocation. Wo sich einst die DDR-Staatsführung nach Filmpremieren zurückzog, finden heute Veranstaltungen statt, zum Beispiel zu Silvester. In Laufnähe können Sie weitere Bauwerke der Berliner Moderne aus DDR-Zeiten entdecken: Werfen Sie einen Blick auf Josef Kaisers Café Moskau, die Mokka-Milch-Eisbar und die Zuckerbäcker-Bauten der ehemaligen Stalinallee östlich des Strausberger Platzes.

Praktische Tipps von visitBerlin

Das Kino International erreichen Sie mit der U-Bahn-Linie 5 am U-Bahnhof Schillingstraße. Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.

 

Öffnungszeiten (Zusatzinfos)

Das Kino ist zur Zeit geschlossen