Influencer:innen posten in sozialen Netzwerken kreative Inhalte via Fotos, kurzen Videos oder Texten. Einige sind sogar sehr erfolgreich, haben eine große Reichweite und viele Follower:innen. Mit ihren Inhalten „influencen“ sie, beeinflussen oder inspirieren andere. Wie Influencer:innen heute digitale Bilder nutzen, nutzte der Nürnberger Künstler Albrecht Dürer (1471–1528) das Medium der Druckgraphik. Durch die Verbreitung seiner gedruckten Bilder wurde er blitzschnell europaweit bekannt, einflussreich und überaus erfolgreich.
Albrecht Dürer Influencer. Follower und Reichweite in Italien
Südlich der Alpen wurde Dürers Kunst besonders geschätzt. Viele italienische Künstler:innen wurden durch seine Holzschnitte und Kupferstiche beeinflusst und inspiriert. Manche, wie Marcantonio Raimondi, Enea Vico, Martino Rota, Benedetto Montagna, Cristofano Robetta, Giulio Campagnola und Zoan Andrea, nutzten Dürers druckgraphische Bilder ganz direkt, indem sie diese nachahmten, kopierten und teilweise unter ihrem eigenen Namen – heute würde man sagen Profil – herausgaben (bzw. teilten). Auch damals stellte sich die Frage nach Urheberrechtsverletzungen und geistigem Eigentum. Durch den gleichzeitigen Anspruch druckgraphischer wie sozialer Medien, Bilder zu verbreiten und Reichweite zu erzeugen, entstand und entsteht so ein vielfältiges Spannungsfeld zwischen Copyright, Erfolg und Kreativität.
Der berühmteste italienische „Follower“ Dürers war der Kupferstecher Marcantonio Raimondi. Dieser schuf detailgetreue Nachahmungen der Holzschnitte des „Marienlebens“ von Albrecht Dürer. Als Kopien hat Raimondi diese Werke nicht gekennzeichnet, im Gegenteil: er hat Dürers Markenzeichen, das berühmte AD mitkopiert. Perfekt sind sie nicht: Raimondi hat Dürers Holzschnitte in eine andere Technik, den Kupferstich übertragen. Diese Nachahmungen sind in die Geschichte eingegangen. Sie sollen im Jahr 1511 zum legendären ersten Copyright-Prozess überhaupt geführt haben. Auch wenn dieser wohl nie stattgefunden hat, kann man davon ausgehen, dass Dürer das Verbreiten seiner Bilder, vielleicht durch eine Kooperation mit Raimondi, sogar unterstützte.
Problematisch war wohl eher die Verwendung seines Markenzeichens AD. Damit täuschte Raimondi Dürers originale Urheberschaft an den nachgeahmten Blättern vor. Vielleicht wurde ihm dies nach der Beschwerde Dürers offiziell untersagt. Jedenfalls verwendet Raimondi in späteren Dürer-Kopien das Monogramm nicht mehr.
Die Sonderpräsentation des Kupferstichkabinetts in der Gemäldegalerie zeigt anhand von 23 Werken, darunter dem berühmten „Rhinocerus“ sowie einer frühen italienischen Kopie, dass Dürers druckgraphisches Schaffen in seiner ganzen Breite in Italien Verbreitung und Nachahmer:innen gefunden hat. Die Beliebtheit der Blätter des Nürnberger Künstlers in Italien und ihr Einfluss waren enorm. Viele Bildhauer:innen, Maler:innen und Zeichner:innen ließen sich von Werken Dürers „influencen“ bzw. künstlerisch anregen, bedienten sich seiner Motive und entwickelten sie weiter.
„Albrecht Dürer Influencer. Follower und Reichweite in Italien“ wird kuratiert von Dagmar Korbacher, Direktorin des Kupferstichkabinetts.
Die Sonderpräsentation begleitet die groß angelegte Übersichtsausstellung „Dürer für Berlin. Eine Spurensuche im Kupferstichkabinett“, die bis 27. August 2023 in der Sonderausstellungshalle des Kulturforums zu sehen ist.