Was bedeutet die aktuelle Energiekrise für den Umgang mit Atomkraft und die Suche nach alternativen Energien? Ist zukünftige Energieversorgung nicht nur ohne fossile Brennstoffe, sondern auch ohne Kernenergie denkbar? Und wie soll mit radioaktiven Abfällen umgegangen werden?
Bei der Nutzung von Atomkraft beschreiten Deutschland und Ungarn entgegengesetzte Wege. Während die letzten deutschen Atommeiler im April 2023 vom Netz gingen, erweitert Ungarn sein einziges Atomkraftwerk um den umstrittenen PAKS-II-Reaktor. Beide Länder stehen dabei vor dem Problem der unabgeschlossenen Standortsuche für Atommüllendlager, die innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen gefunden werden müssen.
Ausgehend von den drei geologischen Formationen, die für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen als am sichersten angesehen werden, betreibt SALZ. TON. GRANIT. ortsspezifische künstlerische Forschung.
Künstler:innen arbeiten dafür mit verschiedenen Communities an unterschiedlichen Orten in Deutschland und Ungarn – von Dörfern bis hin zu industrialisierten Kleinstädten –, die Uranminen, Atomkraftwerke und Endlager beherbergen oder wichtige Schauplätze von Anti-Atomkraftbewegungen waren. Die Bewohner_innen dieser meist ländlichen Gebiete müssen die häufig gravierenden Langzeitfolgen politischer Entscheidungen tragen, die auf überregionaler Ebene getroffen werden. SALZ. TON. GRANIT. untersucht, welche Zugänge künstlerische Forschung zu ihren Erfahrungen finden kann, um sie über verschiedene Orte hinweg miteinander zu verbinden.
In den vergangenen Monaten reisten die beteiligten Arbeitsgruppenmitglieder und Künstler:innen dafür zu Ausbildungszentren für das Personal von Atomkraftwerken, aufwändig gestalteten „Showrooms“ von Endlagern, Kontrollräumen von Atomreaktoren, und ehemaligen Uranminen. Sie besuchten das Gorleben-Archiv, das den wendländischen Widerstand gegen Atomkraft dokumentiert, sprachen mit Aktivist:innen über die Zukunft von Anti-Atomkraftbewegungen und recherchierten in dem ungarischen Dorf Ófalu, dessen Bewohner:innen sich in den 1980er Jahren dank ihres selbstorganisierten Widerstands erfolgreich gegen den Bau eines Atommüllendlagers stellten. Außerdem stießen sie auf eine „Atomelite“ im ungarischen Paks und beobachteten den Versuch des Ortes Bátaapáti, durch die Einrichtung eines Endlagers Abwanderung zu bekämpfen. Im Endlager Morsleben wurden sie Zeuge ausschweifender Karnevalsfeiern und im sächsischen Bad Schlema bewunderten sie die Uranglassammlung der ehemaligen Wismut SDAG.
Vom 17.–19. November 2023 stellen die Arbeitsgruppenmitglieder und Künstler:innen von SALZ. TON. GRANIT. ihre Rechercheergebnisse im Rahmen eines dreitägigen Research Assemblys erstmals der Öffentlichkeit vor. Im November 2024 findet das Projekt schließlich seinen Abschluss in einer Ausstellung.
Mit Beiträgen von Ana Alenso, András Cséfalvay, Theresa Deichert, Krisztina Erdei, Ende Gelände / Kali, Gorleben Archiv / Gabriele Haas, Green Youth Pécs / Júlia Konkoly-Thege, Max Haiven, Moritz Maria Karl, Péter Molnár, Csilla Nagy & Rita Süveges, Nowhere Kitchen (Pepe Dayaw de Manila), PPKK (Schönfeld & Scoufaras), Eglė Rindzevičiūtė, Katarina Šević, Sonya Schönberger, Marike Schreiber, Oxana Timofeeva, Andrea Vetter, Anna Witt, Working Group Image Archive Asse II (Susanne Kriemann, Judith Milz, Lena Reisner)
nGbK-Arbeitsgruppe: Katalin Erdődi, Marc Herbst, Julia Kurz, Virág Major-Kremer, Vincent Schier
Produktion: Karoline Kerkai, nGbK (Deutschland), Dina Darabos, Kinga Kovács (Ungarn)
Gefördert im Programm Zero – Klimaneutrale Kunst- und Kulturprojekte der Kulturstiftung des Bundes. Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Programm
Ort: nGbK am Alex, Karl-Liebknecht-Straße 11/13, 10178 Berlin
Sprache: Englisch mit Flüsterübersetzung auf Deutsch (Ausnahmen siehe Programm)
Eintritt frei. Der Besuch mit Kinderwagen und Rollstuhl ist barrierefrei möglich.
Freitag, 17. November
Radioaktive Abfälle als nukleares Kulturerbe, Anti-Atomkraftbewegungen, Verknüpfung von vergangenen und zukünftigen Kämpfen
17-18 Uhr
Begrüßung und Einführung in SALZ. TON. GRANIT.: Führung mit den Arbeitsgruppenmitgliedern und ausgewählten Künstler_innen durch das Forschungsdisplay
18-19 Uhr
Keynote von Eglė Rindzevičiūtė: Hosts and Hostages of Nuclear Infrastructures: Managing and Containing Nuclear Materialities in the Post-Soviet Space
19:30-21 Uhr (auf Deutsch und Ungarisch, mit Flüsterübersetzung auf Englisch)
Gespräch mit der Künstlerin Anna Witt: über die Vergangenheit und die Zukunft der Anti-Atomkraftbewegung
Teilnehmer:innen: Ende Gelände / Kali, Gorleben Archiv / Gabriele Haas, Grüne Jugend Pécs / Júlia Konkoly-Thege
21-22 Uhr
Listening Session mit PPKK
Samstag, 18. November
Energiezukunft und Solarpolitik, Zukunftsvorstellungen und die Tiefenzeit der Endlagerung
10-13 Uhr (auf Englisch, ohne Übersetzung)
Writing After Their Future: A Sci-fi Fictioning Workshop mit Max Haiven
Bitte melden Sie sich bis zum 15. November unter anmeldung@ngbk.de an.
13-14 Uhr
Nowhere Kitchen: Pepe's Pinoy Pop-Up
14-15 Uhr
Begrüßung und Einführung in SALZ. TON. GRANIT.: Kollektive Lesung von Texten, die während des Sci-fi-fictioning Workshops geschrieben wurden, gefolgt von einer Führung der Kurator_innen und ausgewählter Künstler_innen durch das Forschungsdisplay
15-16.30 Uhr
Gemeinsames Gespräch mit den Künstler:innen und Gästen über ihre Recherchen und ihre künstlerische Herangehensweise an die deutschen und ungarischen Orte, an denen sie arbeiten werden.
Teilnehmer:innen: Ana Alenso (online), András Cséfalvay, Krisztina Erdei, Csilla Nagy & Rita Süveges, Sonya Schönberger, Marike Schreiber, Working Group Image Archive Asse II (Susanne Kriemann, Judith Milz, Lena Reisner)
17-18 Uhr
Radioactive waste and deep time: a geologist’s perspective
Gespräch mit dem Geologen Péter Molnár (Pécs, Ungarn), moderiert von Csilla Nagy & Rita Süveges
18-19 Uhr
Nowhere Kitchen: A Migrant Cooking Theatre of Spicy Histories and Collective Eating Ritual of Leftovers geleitet von Pepe Dayaw de Manila
19-20 Uhr
Keynote von Oxana Timofeeva: Energy and Intelligence: From Solar to Nuclear
Gefolgt von Q&A moderiert von András Cséfalvay
20-21.30 Uhr
Gespräch über zukünftige Formen der Energiegewinnung und die Herausforderungen der Energiewende
Teilnehmer:innen: Theresa Deichert, Moritz Maria Karl, Andrea Vetter
Sonntag, 19. November
12–18 Uhr
Ausstellung des Forschungsdisplays