von Rimini Protokoll / Helgard Haug
„Keine Absicht - nur Tourette", schickt Christian Hempel eilig voraus, wenn er sich unter Leuten bewegt. Seine Schimpftiraden und seine motorischen Ausbrüche sind nicht steuerbar. Sie sind Reaktionen auf die Welt, in der er sich bewegt, und fordern diese heraus.
Für das Monologfestival entsteht aus dem Material der preisgekrönten Arbeit „Chinchilla Arschloch, waswas“ ein Solo über die Angst vor dem Kontrollverlust, Verbalattacken, Parlament-Tourette und die Frage, was eigentlich Normalität ist. Denn das Tourette-Syndrom will Konfrontation und Aufsehen erregen. Das führt zu Konflikten: Ein Nachbar hat sogar versucht, eine einstweilige Verfügung gegen Christian zu erwirken. Für Viele weniger spürbare Aspekte von Kommunikation und In-der-Welt-Sein werden plötzlich anders sichtbar. Die Grundbedingungen des Zusammenlebens und ihre vermeintliche Alltäglichkeit werden neu sortiert.
Mit Tourette Theater zu machen, scheint auf den ersten Blick unmöglich: Kein Text ist sicher, keine Bewegung wiederholbar. Die Bühnentechnik muss in Sicherheit gebracht, spezielle Hotelzimmer gebucht werden. Was nicht Tourette-kompatibel ist, wird geändert. Und diese Änderungen bilden ein Material, formen irgendwann einen Text, einen Anfang und einen Schluss. Wieviel Absichtslosigkeit hält das Theater aus? Wieviel Schutz kann es bieten, ist die Bühne doch für das Gegenteil geschaffen: Präzision, Wiederholbarkeit, Kontrolle, Weltgeschichte, Spektakel?
Relaxed Performance & Early Boarding
Im Rahmen des Monologfestival 2023
Zusätzliche Informationen
Mit Christian Hempel Unterstützt durch Stefan Schliephake Konzept/Text/Regie Helgard Haug / Rimini Protokoll Technische Leitung/Video/Licht Marc Jungreithmeier Produktionsleitung Renée Merkel Koproduktion TD Berlin im Rahmen des Monologfestival 2023 Gefördert durch die vierjährige Festivalförderung der Senatskanzlei für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Berlin