Die Ausstellung in der Galerie Zwitschermaschine präsentiert die Geschichte der Potsdamer Straße 156 und seiner Mieter:innen von 1847 bis heute. Die Ausstellungsmacher:innen wohnen selbst seit vielen Jahren im Haus und machten sich für die Schau auf die Suche nach seiner Vergangenheit und nach aufschlussreichen Lebensgeschichten.
Wo heute der Hinterhof steht, gab es im 18. Jahrhundert den „Kleefleck“, in einem sonst morastigen Gestrüpp. Eine kleine, natürlich gewachsene Weide für das Vieh der Alt Schöneberger. Das erste Haus auf dem Grundstück wurde in 1854 fertiggestellt, das Zweite, das bis heute steht, in 1885. Eine adlige Generalswitwe war die Besitzerin des ersten Hauses. Bei dem Zweiten wechselten sich die Eigentümer:innen teilweise rasch. Das Haus war auch Spekulationsobjekt.
Das Haus spiegelt die ganze deutsche Zeitgeschichte wider.
In den Jahren seit 1844 bis heute haben dort unzählige Menschen gelebt. Wieviele Kinder wurden hier geboren und wieviele Menschen sind im Haus gestorben?
Darunter waren viele Künstler:innen, Schriftsteller:innen und Sänger:innen, wie die Schriftstellerinnen und frühen Frauenrechtlerinnen, Jenny Hirsch und Franziska von Kappf-Essenther. Oder Franziskas Ehemann, Paul Blumenreich, Schriftsteller, Bühnenautor, Theaterdirektor. Er rief das „Theater des Westens“ ins Leben. Heute sind diese Menschen so gut wie vergessen. Die Ausstellung möchte ihr Geschichten wieder in Erinnerung rufen.
Die Recherche hat aber auch dunkle Seiten der Geschichte des Hauses zum Vorschein gebracht. So organisierte die Kamerun Hinterland Gesellschaft ihre ersten Expeditionen zur Unterwerfung ganzer Landstriche Kameruns von hier aus.
Das Haus hat durch seine Lage auf einer der Hauptachsen der Stadt eine besonders wechselhafte Geschichte.
Außer den gutbetuchten Mieter:innen im Vorderhaus, gab es hier ab spätestens 1906 kontinuierlich Cafés, wie das Holländische, vermutlich eines der ganz frühen Gay Cafes der Stadt. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Mieter überwiegend Handwerker, Kleinunternehmer. Die Gegend wandelte sich zum Rotlichtmilieu. Aus dem „Hotel Potsdam“ auf der Hochparterre wird eines der ersten Bordelle Westberlins.
Mit dem Mauerbau wird aus der einst wichtigen Geschäftsstrasse eine Sackgasse. Und spätestens, als der Drogenhandel hier Fuß fasst, ziehen viele der „normalen“ Bürger:innen aus und die Ausstellungsmacher:innen Mari Cantu und Marian Kiss mit Freunden und ihren kleinen Kindern Anfang der 1980er ein. Ab dieser Zeit mischen sich Historie mit persönlichen Erinnerungen und Dokumenten, die Teil der Ausstellung sind. Ihre Geschichten sind eng verbunden mit der des Hauses und die Parallelen zu manchen Mieterinnen vor 130 Jahren sind nicht zu übersehen.
Abschließend werden einige der heutigen Bewohner:innen porträtiert - sie erzählen über ihr Verhältnis zu diesem Ort und zu seiner frisch entdeckten Vergangenheit. Es erzählt von Kontinuität und Bestand.