Von Widerstand und Beharren. Von Flucht als Angriff. Von alternativen demokratisch-egalitären politischen Philosophien
O Quilombismo: Von Widerstand und Beharren. Von Flucht als Angriff. Von alternativen demokratisch-egalitären politischen Philosophien – Forschungsprojekt, Ausstellung, Workshops und Performancesreihe – lädt Künstler:innen, Aktivist:innen, Wissenschaftler:innen und Menschen aus anderen Lebensbereichen dazu ein, auf der Basis verschiedener emanzipatorischer Initiativen in Vergangenheit und Gegenwart neue Formen des kulturellen und politischen Widerstands zu entwerfen.
Die Ausstellung hat viele Stimmen: quilombos (in Brasilien),
cumbes (in Venezuela), palenques (in Kuba und Kolumbien), cimarrones (in Mexiko)
undmaroons (in Jamaica und den USA) sowie weitere emanzipatorische Räume auf
der ganzen Welt. Unabhängig von der Größe dieser Räume haben Künstler:innen,
Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen, Geschichtenerzähler:innen und andere
kreative Akteur:innen die kulturellen, politischen, gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Aufgaben der Befreiung und (Selbst-)Bestätigung in Bilder
gefasst und in die Tat umgesetzt.
Die Ausstellung bezieht sich auf quilombos als Metapher,
befasst sich aber auch mit den intellektuellen und politischen Wirkungen einer Philosophie
und Ideologie, die auf den quilombos beruht. Sie kartiert die sozialen Räume,
die diese Orte ermöglicht haben – ob in früheren Zeiten, in geteilten
Vorstellungswelten oder in heutigen multiplen zeitgenössischen Existenzweisen.
Beitragende Künstlerinnen (Auswahl):
Laeïla Adjovi; Amina Agueznay;
Ana Beatriz Almeida, Archive Ensemble; Barby Asante; Mago Aristote; Leo
Asemota; Maria Auxiliadora; Carol Barreto; Farid Belkahia; Maria Magdalena
Campos-Pons; Ange Dakouo; Diana Ejaita; Adama Delphine Fawundu; Tanka Fonta;
Gwladys Gambie; Vanessa German; Assaf Gruber; Antonio Jose Guzmán / Iva
Jankovic; Hermosa Intervención; Lisa Hilli; Nikau Hindin; Hayv Kahraman; Grada
Kilomba; Jiun-Yang Li; Ibrahim Mahama; Masimba Hwati; Georgina Maxim; Tuli
Mekondjo; Marie Claire Messouma; Oscar Murillo; Nontsikelelo Mutiti; Abdias do
Nascimento; Eustáquio Neves; Lizette Nin; Olu Oguibe; Temitayo Ogunbuyi;
Owusu-Ankomah; Bernardo Oyarzún; Moisés Patrício; Anand Patwardhan; Zica Pires;
Alberto Pitta; Joshua Serafin; Taller Portobelo; Jasmine ThomasGirvan; Trương
Công Tùng; Glicéria Tupinambá; Rubem Valentim; Charmaine Watkiss; Hajra Waheed;
Sawangwongse Yawnghwe; Bruno Zhu
Ausgangspunkt des Projekts ist die Philosophie
desquilombismo, wie sie vom brasilianischen Künstler, Schriftsteller und
Politiker Abdias do Nascimento (1914–2011) entwickelt wurde.
Er definierte die quilombos
– Siedlungen, die von befreiten, der Versklavung entflohenen Menschen gegründet
wurden – als Gesellschaften der „brüderlichen und freien Wiedervereinigung; der
Solidarität, des Zusammenlebens und der existenziellen Gemeinschaft“.
Die Tradition
des quilombistischen Widerstands zieht sich seit Beginn des 16. Jahrhunderts
durch die Amerikas, als versklavte afrikanische Gruppen sich der europäischen
Kolonisierung und Unterdrückung verweigerten und neue Formen der Staatlichkeit
und Organisierung schufen.
Zentral für die Ausstellung ist eine „Suche nach einem
freien Raum, von wo aus die fortwährende Revolte gegen die kulturelle Kolonisierung
zu führen ist“, um die Worte der Schriftstellerin und Philosophin Sylvia Wynter
zu gebrauchen.
Es handelt sich um einen Raum, der die Bühne bereitet für eine
quilombistische, demokratische, egalitäre Erfahrung, die Rassifizierung,
Klasse, Geschlecht, Religion, Politik, Gerechtigkeit, Bildung, Kultur – und alle
weiteren Ausdrucksformen des Lebens in Gesellschaft – sowie unterschiedliche
Ebenen der Macht in öffentlichen und privaten Institutionen berücksichtigt.
O Quilombismo verkörpert einen anti-imperialistischen Kampf,
der sich an verschiedenen Strömungen der panafrikanischen Bewegung orientiert
und für eine radikale Solidarität mit allen Menschen einsteht, die weltweit
gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Armut sowie gegen rassistisch, sexistisch,
religiös oder ideologisch motivierte Ungleichheit kämpfen.
Als Suche nach und
als Erfahrung von Befreiung vom Kolonialismus sowie als eine solidarische
Praxis mit dem Ziel wechselseitiger Emanzipation ist das quilombistische Projekt
nicht von den fortwährenden Befreiungskämpfen Indigener Gesellschaften auf der
ganzen Welt zu trennen.
Im HKW, einem Haus, das eine Kultur der Konvivialität und Gastfreundschaft
pflegt, lebt und verbreitet, wird Quilombismo als eine Philosophie des
Widerstands, der Beharrlichkeit und der Befreiung durch kollektives Handeln und
Freude verstanden.
Das setzt den Ton für ein Programm, das – getragen von
Ansätzen, die bezaubern, beflügeln, begeistern – eine enthusiastische
Atmosphäre schafft, geleitet von ethischen und egalitären Werten. Zonen der Auseinandersetzung
steht die Möglichkeit gegenüber, sich zurückzuziehen, zu regenerieren, andere
Strategien zu entwickeln und so die nötige Energie zu sammeln, um andere
Zukunftsentwürfe zu skizzieren.
Das Projekt nimmt den eigenen Anspruch ernst, dass von den Quilombos
und ähnlichen Orten viel zu lernen ist. So beharrt es darauf, dass Räume der
Freiheit – und die Freiheit selbst – kontinuierlich gepflegt, neu geschaffen
und konzipiert werden müssen.
Ausstellung, Performances, Filmvorführungen,
Konzerte, Storytelling-Begegnungen, Kochsessions, Vorträge sowie Forschungs-
und Vermittlungsprogramme sind Praktiken, die das quilombistische Erbe der
Solidarität und des Kampfes als lebendige Kultur weitertragen.
Das Projekt in und ums HKW-Gebäude bietet ein pluriversales
und generationenübergreifendes Programm jenseits des Kanons der kolonialen
Moderne.
Es nährt sich aus Genealogien der Widerstandsbewegungen und aus
künstlerischen Strategien der Selbstvergegenwärtigung, aus politischen
Revolten, Widerstandsbewegungen und Befreiungskämpfen – und bildet so neue
kulturelle Formen und ästhetische Paradigmen von Neugestaltung und
Rückgewinnung, sowie des Queerings als Emanzipation.
O Quilombismo schlägt einen neuen Ton an, um Verbindungen
und Bezüge herzustellen, die in den kommenden Jahren weitergeführt werden: Als
Sommerschule bietet die Escola de Quilombismo ab 2023 einen alljährlichen Raum,
um sich wiederzutreffen, Anregungen auszutauschen und gemeinsam zu feiern.
- Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes. In
Zusammenarbeit mit der Calouste Gulbenkian Foundation als Teil des Programms PARTENARIATS
GULBENKIAN zur Förderung der portugiesischen und lusophonen Kunst in
europäischen Kulturinstitutionen.
Zusätzliche Informationen
Informationen zur Barrierefreiheit
Die gleichberechtigte Teilhabe an und der entsprechende Zugang zu Ausstellungen, Kulturveranstaltungen und Performances sind dem HKW wichtig.