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Im Zentrum der Ausstellung steht der titelgebende Film des Künstlers und Filmemachers Sven Johne, der von Fluentum produziert wurde und im September seine Premiere feiert.

Ergänzt wird die Ausstellung von einer Installation aus früheren Videoarbeiten Johnes, die zum Teil aus der Fluentum Collection stammen und Themenstränge des neuen Films weiterdenken.

Sven Johnes 33-minütiger Film Das sowjetische Hauptquartier (2023) spielt auf dem heute brachliegenden Gelände des ehemaligen Hauses der Offiziere in Wünsdorf, Brandenburg. Das im frühen 20. Jahrhundert im neobarocken Stil errichtete schlossartige Anwesen diente bis 1994 als eine Art kulturelles Hauptquartier der in Ostdeutschland stationierten sowjetischen Truppen. In Johnes neuer Arbeit wird es zum Schauplatz eines Immobilien-Besichtigungstermins.

Der zum Erfolg verdammte Makler Becker (Marc Zwinz) führt wortreich die vermeintliche Interessentin Katharina Baronn (Luise Helm) durch die verlassenen Räumlichkeiten. Im Verlauf des Films kippt unsere Aufmerksamkeit und der innere Monolog Baronns tritt in den Vordergrund: Als achtjähriges Kind erlebte sie hier den Abzug der sowjetischen Truppen. Seither geistert eine sentimentale „Kindersowjetunion“ (in Johnes Worten) als vermeintliche Alternative zum real existierenden Kapitalismus in ihren Erinnerungen. In "Das sowjetische Hauptquartier" geht es um frühe Prägungen, um die Wirkmächtigkeit von Ideologien und um den Abschied von der Kindheit.

Der Ort, an dem Fluentum heute Ausstellungen zeigt, wurde in den 1930er Jahren als Verwaltungsgebäude der nationalsozialistischen Luftwaffe errichtet und diente nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Hauptquartier für die US-Streitkräfte in West-Berlin.  Als ein ideologisches und zeithistorisches Gegenstück zum Haus der Offiziere, das nicht in Vergessenheit geraten ist, sondern im Zuge seiner Privatisierung in den 2010er Jahren denkmalgerecht restauriert wurde, erscheint die Inszenierung von Das sowjetische Hauptquartier in den Räumen von Fluentum wie eine Allegorie auf das anhaltende Erbe politischer Narrative der Nachwendezeit – über vermeintliche Gewinner und Verlierer, über das Erinnern und Vergessen.

In den Arbeiten von Sven Johne legen sich persönliche Narrative über die Eckpfeiler offizieller Geschichte, um diese entlang persönlicher Ausflüchte und emotionaler Störmomente neu zu erzählen. In seinen Videoarbeiten und fotografischen Werken eignet er sich die Ästhetik des Dokumentarischen an und speist fiktionale Elemente in sie ein, die ihre Behauptung von Wahrheit torpedieren. Was entsteht, ist ein Realismus, der jenseits von Authentizität und Widerspiegelung mehr ergibt als die Summe seiner Teile.

Im Obergeschoss zeigt eine Installation aus fünf früheren Videoarbeiten Johnes seine langfristige Beschäftigung mit der Sehnsucht nach Veränderung, politischer Ausweglosigkeit und der Gegenwart wie auch Vergangenheit Ostdeutschlands. Auch in ihnen schälen sich aus der Montage von Stimme, Erzählung und filmischem Bild die Verzahnung von persönlichen Geschichten und politischen Mächten heraus.

In Vom Verschwinden (2022) und Meridian (2020) leiten die emotionale Irrationalität von Kindheitserinnerungen den Blick. Arbeiten wie Lieber Wladimir Putin (2017) und A Sense of Warmth (2015), die Teil der Fluentum Collection sind, behandeln auch heute noch kontroverse Themen wie die Suche nach ideologischer Zugehörigkeit und demonstrieren gleichzeitig den Schwerpunkt der Sammlung, der auf der Bearbeitung von historischem Material in aktuellen sozialen Kontexten und der Mediatisierung des Erzählens im Heute liegt.

Begleitend zur Ausstellung erscheint im Dezember 2023 ein von André Fuchs gestalteter Katalog.

Eröffnung
12. September 2023, 18 bis 22 Uhr

Ausstellungsdauer
13. September – 16. Dezember 2023

Sonderöffnungszeiten während der Berlin Art Week 2023:
Mittwoch bis Sonntag, 13.-17. September, 11-18 Uhr

Reguläre Öffnungszeiten (ab 22. September):
Freitag 11-17 Uhr, Samstag 11-16 Uhr

Eintritt frei
Zusätzliche Informationen
Termine
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