
Jazz am Helmholtzplatz e.V. präsentiert
TÜLAY GERMAN (Türkei) präsentiert von PINA BERLINS TURKISH STANDARD QUARTET.
- Pinar Tatlikazan – vocals, sax, ukulele
- Oğhuzan Altinay – guitar
- Maik Kleer – bass
- Alfred Mehnert – percussion
Einführungsvortrag: Regina Câmara
Tülay German (1935 in Istanbul) gehört zu den prägenden Stimmen der türkischen Jazzszene der 1960er Jahre. Sie begann bereits im Alter von vier Jahren zu singen und trat als Grundschülerin in Radio Ankara auf, begleitet von Tarık Bulut am Klavier. Nach dem Abschluss am Üsküdar American Girls’ College 1956 startete sie ihre professionelle Karriere als Sängerin. 1957 nahm sie als erste türkische Sängerin an der Sendung Melody Caravan auf Istanbul Radio teil und trat heimlich auf der Bühne des Süreyya-Theaters in Ankara auf.
Zwischen 1960 und 1962 etablierte sich Tülay German als Jazzsängerin in Istanbul. Sie arbeitete eng mit dem Salim Ağırbaş Quintet zusammen, mit dem sie regelmäßig in einer wöchentlichen Radiosendung auftrat. Wichtige Partner in dieser Zeit waren außerdem İlham Gencer und andere Musiker der jungen Jazzszene. Ein zentraler Ort für die Jazzkultur war das Hilton Hotel in Istanbul, aber auch private Jamsessions spielten eine bedeutende Rolle. Erdem Buri, der Lebensgefährte von Tülay Geman, spielte hierbei eine wichtige Rolle. In seinem Haus fanden nicht nur Jamsessions statt – auch Mitglieder der Türkischen Arbeiterpartei und linke Intellektuelle trafen sich bei ihm in Moda.
Erdem Buri war Neffe von Suat Derviş (türkische Schriftstellerin und politische Aktivistin) und Hamdullah Suphi Tanriöver, (Dichter, Politiker und Diplomat), Mitgliedern der TIP, und war außerdem mit Yasar Kemal (Schriftsteller), Aziz Nesin (Schriftsteller) und Atif Yilmaz (Regisseur) befreundet. Die TIP nutzte 1965 das von Tülay German gesungene und von Erdem Buri komponierte „Lied von morgen“ für ihren Wahlkampf. Zusammen mit Selahattin Hilav hatte er außerdem das Werk von Plechanow „Grundfragen des marxistischen Denkens“ ins Türkische übersetzt. Tülay German und Erdem Buri wurden politisch verfolgt und gingen 1966 gemeinsam ins Exil nach Paris. Für Erdem Buri nahm sie u. a. die Stücke Senin Şarkını Söylüyorum, Mutlu Günler und Ninni auf, in denen türkische Musiktradition mit westlichem Jazz verschmolz – frühe Ansätze, die später in den sogenannten Anadolu Pop mündeten.
Die politische Lage beeinflusste das künstlerische Schaffen der Istanbuler Jazzszene maßgeblich. Während des Kalten Krieges näherte sich die Türkei den USA an, die fortschrittliche linke Kräfte nicht unterstützten, sondern traditionelle, muslimische und folkloristische Gruppen bevorzugten. Dies führte dazu, dass viele Musiker*innen, darunter auch Tülay German und Erdem Buri, ins Exil gingen. 1966 zogen sie nach Paris, wo Tülay unter dem Namen Toulaï zahlreiche Singles aufnahm, Konzerte gab und an Festivals in Europa, Brasilien und den USA teilnahm.
Tülay German gilt als Schlüsselfigur des türkischen Jazz, deren Arbeiten in den 1960er Jahren die Verbindung von Jazz und türkischer Musiktradition nachhaltig prägten. Bis heute lebt sie in Paris und wurde 2021 für ihr Lebenswerk auf dem Istanbul International Jazz Festival mit dem Lifetime Award ausgezeichnet.
PINA BERLIN (Pinar Tatlikazan)
Pinar Tatlikazan, die unter dem Künstlernamen Pina Berlin auftritt, ist eine in Bursa (Türkei) geborene, in Istanbul aufgewachsene Sängerin und Songwriterin, die seit etwa 2010 in Berlin lebt. Sie kombinierte Einflüsse aus Jazz, Weltmusik, Soul und Folk und begann schon in Bands in Istanbul und später in Berlin zu singen und zu performen. Pina Berlin studierte Gesang klassisch und nahm Workshops bei Jazzkünstler*innen, außerdem spielte sie in verschiedenen Bands, bevor sie ihr Soloprojekt startete. 2020 veröffentlichte sie ihr Debütalbum, und tourte anschließend mit ihrer Band. Webseite: pinaberlinmusic.com
ALFRED MEHNERT
Alfred Mehnert ist Percussionist, Autor und Dozent, mit einem starken Engagement in der Berliner Musik- und Kulturszene. Er studierte Philosophie, Politik und Pädagogik in Frankfurt und Percussion u.a. bei Tata Guiness und Dudu Tucci. Sein erstes eigenes Album Sprechzeit erschien 2001 und war innerhalb eines Jahres ausverkauft. Mehnert leitet das Berlin Metropol Orchestra, ein multikulturelles Ensemble, in dem er Percussion und Moderation übernimmt, und mischt Jazz, Latin, Soul und Weltmusik zu einer neuen Klangidentität. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit ist er stark in musikpädagogischen Projekten aktiv, z. B. Kids on Drums, Workshops und Community-Projekte in Berlin.
MAIK KLEER
Maik Kleer ist Bassist (E-Bass und Kontrabass), aktiv in der Berliner Jazz-, Soul- und Funkszene. Er ist Mitglied des Jako Quartet, einer Band des Gitarristen Iakovos „Jako“ Symeonidis, mit der er Eigenkompositionen sowie Stücke aus Funk, Soul und Jazztradition spielt. Kleer spielt auch in Pina Berlin’s Turkish Standard Quartet, wo er in der Besetzung mit Pinar Tatlikazan (Vocals), Alfred Mehnert (Percussion), und weiteren MusikerInnen auftritt. Webseiteninfos: über das Jako Quartet.
Hintergrund:
Female Cadence: Frauen im europäischen Jazz um 1960 (Oktober 2025 – Januar 2026) widmet sich vergessenen Musikerinnen, die den Jazz in Europa entscheidend geprägt haben. Im Zentrum stehen Künstlerinnen wie Lolita Garrido (Spanien), Pia Beck (Niederlande), Colette Magny (Frankreich), German Tülay (Türkei), Kathy Stobart (Großbritannien) und Ewa Wanat (Polen).
Das Projekt bringt diese Künstlerinnen zurück ins öffentliche Bewusstsein, indem Berliner Musikerinnen wie Olga Reznichenko, Mathilde Vendramin, Lucia Boffo, Pinar Tatlikazan, Birgitta Flick und Ola Blachno mit ihren Ensembles Werke dieser Frauen neu interpretieren, transkribieren und mit eigenen künstlerischen Positionen verbinden. So entsteht ein Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen politisch motivierter Musikgeschichte und heutiger Jazz-Avantgarde.
Neben sechs Konzerten in Spielstätten wie der Brotfabrik und dem Kubiz Raoul Wallenberg umfasst die Reihe Vorträge und ein Programmheft. Im Anschluss entsteht ein Podcast. Damit wird weibliche Jazzgeschichte nachhaltig sichtbar gemacht und zugleich ein Diskurs über die gesellschaftlichen Bedingungen jener Musikerinnen eröffnet – patriarchale Strukturen und autoritäre Regime rücken hierbei in den Fokus. Dabei soll auch ein Blick auf die heutigen Konditionen im Jazz geworfen worden, sowie aktuelle künstlerische Positionen von Musikerinnen des Jazz und der Improvisationsmusik präsentiert werden.
Die Konzertreihe versteht sich als Beitrag zur Sichtbarmachung vergessener weiblicher Biografien und als Reflexion darüber, wie sehr künstlerischer Ausdruck und gesellschaftlicher Protest damals wie heute ineinandergreifen.
Gefördert vom Musikfonds e.V. mit Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Idee und Umsetzung: Regina Câmara
Zusätzliche Informationen
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