
SAMET DURGUN
„Ich habe mit dem Schminken angefangen, als ich eine Prellung verdecken musste, nachdem mein Vater mich geschlagen hatte [lacht]. Meine Mutter gab mir ihren Concealer.“ – Kylie Divon
In Come Get Your Honey – zu sehen vom 16. Juli bis 15. September im Fotografiska Berlin – zeichnet der in Berlin lebende Fotograf Samet Durgun, ein Einwanderer der ersten Generation mit türkisch-abchasischen Wurzeln, das Leben von LGBTQIA+-Flüchtlingen und Asylsuchenden in der Stadt nach.
Ein Leitprinzip, das Durguns fotografische Praxis prägt, ist seine Überzeugung, dass Fotografie ebenso sehr vom Zuhören abhängt wie vom Drücken des Auslösers.
Im Gegensatz zum sogenannten „Fallschirmjournalismus“, bei dem jemand vorbeikommt, eine vorgefertigte Geschichte liefert und dann wieder verschwindet, verfolgt Durgun einen anderen Ansatz – insbesondere in Come Get Your Honey. Er ist nicht nur daran interessiert, zu beobachten, sondern möchte gegenseitiges Lernen fördern und dieses gemeinsame Verständnis in all seine Werke einfließen lassen.
Seine Motive sind sehr vielfältig. Manchmal sieht der Betrachter kleine Momente der Zärtlichkeit – scheinbar beiläufige Berührungen, alltägliche Situationen. Andere Bilder fangen Glamour, Stolz, Selbstbewusstsein und Widerstandsfähigkeit ein. Wieder andere zeigen die Umgebung der Protagonisten und wie sich ihre Identität zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit bewegt, während sie in Berlin neue Räume finden, die über normative Erwartungen hinausgehen.
Für Durgun war die Entstehung des Projekts untrennbar mit seiner Auseinandersetzung mit Identität verbunden. „Wir trafen uns im Geiste von ‚Ich bin hier, um ich selbst zu sein‘, nicht nur ‚Ich fliehe vor einer Krise‘, auch wenn tatsächlich alle auf der Flucht waren“, sagt er. Rückblickend diente Come Get Your Honey auch als seine eigene Coming-out-Erzählung. „Trans-Menschen inspirieren so viele Künstler; ich bewundere ihren Mut und ihre Selbstdefinition. Sehr schnell wurde mir klar, dass es in diesem Projekt genauso sehr um mich ging wie um sie – wenn nicht sogar mehr.“
Durgun fotografierte insgesamt fast fünfzig Menschen, etwa fünfzehn Porträts schafften es in die endgültige Serie, und nicht alle der porträtierten Personen sind auf den Bildern identifizierbar. Während einige unerwarteten Mut zeigten und ihre Gesichter zeigten, entschieden sich andere für Anonymität und versteckten sich weiterhin vor ihren Familienmitgliedern.
Come Get Your Honey zeigt Leben voller Schönheit, Kreativität und Widerstandsfähigkeit, während es gleichzeitig die strukturellen Barrieren und die soziale Marginalisierung anerkennt, denen diese Menschen selbst in vermeintlich freien Räumen weiterhin ausgesetzt sind. Gleichzeitig kann es als ein feinfühliges Mosaik gelesen werden – aus Biografien, Begegnungen, Blicken oder als stilles Manifest für eine andere Sichtweise: eine, die auf Beziehungen, Vertrauen und Zeit basiert. In einer Welt, die queeres Leben so oft als Spektakel oder Exotik darstellt, bietet Durguns Arbeit eine radikal einfache Alternative: Präsenz. Das mag fast banal klingen, ist aber im Kontext der zeitgenössischen Fotografie überraschend selten.
Weit davon entfernt, zu sensationalisieren, hört dieses Werk zu. Es hört auf die Stille, auf die Verletzlichkeit, auf das menschliche Bedürfnis nach Verbindung – sogar und gerade an Orten, an denen dies am unwahrscheinlichsten erscheint.
ÜBER DEN KÜNSTLER
Samet Durgun, geboren in Adana, Türkei, ist ein autodidaktischer Fotograf, der seit 2013 in Berlin lebt. Er studierte an der Boğaziçi-Universität in Istanbul und nahm von 2020 bis 2021 am Mentorenprogramm „Common Ground“ der UdK Berlin teil, das angehende Kunststudierende aus Risikogruppen unterstützt. Come Get Your Honey wurde 2021 als Buch im Kehrer Verlag veröffentlicht und in verschiedenen Medien wie Der Greif, HUCK, i-D Italy, LFI by Leica und GQ Magazine vorgestellt.Fotografiska Museum Berlin
Oranienburger Strasse 54 · 10117 Berlin
Öffnungszeiten: täglich 10:00 - 23:00 Uhr