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Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Mein Lieblingsstück aus den Sammlungen

Die große Silbervase aus dem „Schatz des Priamos“

Das große silberne Henkelgefäß aus dem „Schatz des Priamos“ ist nicht spektakulär, gewiss wird es von den meisten Besuchenden der Museumsinsel übersehen, und doch steht es für unglaublich faszinierende Geschichten. 
Das Stück befindet sich heute im Schliemann-Saal des Neuen Museums. Dort sind auch andere Funde aus Schliemanns Ausgrabungen in Troja zu bewundern. Die bei Kriegsende in die Sowjetunion verbrachten Goldobjekte aus dem berühmten „Schatz des Priamos“ wurden von Schliemann in genau dieser großen Silbervase entdeckt. 

 


Alles an dieser Entdeckung ist faszinierend

Heinrich Schliemann, der Selfmade-Man und Autodidakt, wird in Troja zum Mitbegründer der modernen Grabungsarchäologie. In einer Mauernische findet er diesen Schatz aus Gold und Silber. Er schreibt ihn dem sagenumwobenen König Priamos zu, irrt sich aber um 1.000 Jahre, wie wir heute wissen: Das Naheliegende ist in der Archäologie aber nicht immer das Richtige. 

Ein Schatz auf abenteuerlicher Reise

Schliemann bringt Gold- und Silberstücke ohne Genehmigung aus der Türkei, wird dort dafür verurteilt, zahlt freiwillig mehr als das Doppelte der Strafe und darf in Troja wieder weitergraben. Die Petersburger Eremitage will den Schatz nicht haben, Schliemann stellt ihn zunächst in London aus und nicht in Berlin, weil ihn die Kritik deutscher Archäologen gekränkt hatte. Schließlich schenkt er ihn doch den Berliner Museen, und Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich verfügt seine Präsentation ab 1882 im Martin-Gropius-Bau. 
Vor Kriegsende wird er zu seinem Schutz im Flakturm am Tiergarten untergebracht, wo ihn die Sowjetarmee 1945 findet und nach Moskau fliegt. Dort verliert sich über Jahrzehnte seine Spur, bis das Puschkin-Museum 1994 zugibt, ihn doch zu besitzen. Seither bemüht sich Deutschland erfolglos um seine Rückkehr nach Berlin. 

Es sind genau diese ungemein spannenden Geschichten, die so viele der Objekte in den Häusern der Museumsinsel erzählen

Sie verbinden in ihrer Vielschichtigkeit Katastrophen vor Jahrtausenden mit jenen der Gegenwart. Und es sind nicht immer die Highlights, die die tollsten Storys bieten. Genau das macht die Museumsinsel zu etwas so Besonderem.

Prof. Dr. Hermann Parzinger