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Eine Reihe der Mosse Lectures an der Humboldt-Universität zu Berlin im Wintersemester 2025/26

Die Mosse Lectures sind eine interdisziplinär und international angelegte Vortragsreihe an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Wintersemester 2025/26 widmen sie sich dem Thema »Staatsstreiche«. 



Angesichts der schleichenden Erosionen von Rechtsstaaten, wie wir sie derzeit etwa in den Vereinigten Staaten unter Donald Trump erleben, möchten die Mosse Lectures die verschiedenen Formen des Staatsstreichs, vom Militärputsch bis zur sukzessiven Aushöhlung der Verfassung, systematisch beleuchten und nach den kulturellen Machtverschiebungen fragen, die mit ihnen einhergehen.


Einzeltermine

Anna-Bettina Kaiser: »Staatsstreich, Ausnahmezustand, Regression« 

Mit Lothar Müller

Donnerstag, den 4. Dezember 2025 | 19.15 Uhr | Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10117 Berlin

Der Staatsstreich als Form des Verfassungsumbruchs hat ausgedient, heute sterben Demokratien einen langsamen Tod – so lautet derzeit eine gängige Annahme. Doch zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass sich beileibe kein einheitliches »Skript« durchgesetzt hat, wie Demokratien schrittweise zerstört werden. Vielmehr können wir gegenwärtig höchst unterschiedliche Formen der Demontage von Verfassungen beobachten. Aber wie lassen sich diese verschiedenen Phänomene begrifflich fassen? Unter welchen Voraussetzungen kommt dem Recht und wann der Gewalt eine wesentliche Rolle zu? Zeigt sich am Ende die Rückkehr des Staatsstreichs?

ANNA-BETTINA KAISER: Rechtswissenschaftlerin; Professorin für Öffentliches Recht und Grundlagen des Rechts an der Humboldt-Universität zu Berlin. Kaiser ist seit 2016 Teil des Projekts »Constitutionalism under Stress« [CONSTRESS] in Kooperation mit der Princeton University und seit 2019 Co-Direktorin des Integrative Research Institute Law & Society [LSI] der Humboldt-Universität. Zu ihren Fachgebieten gehören Verfassungsrecht [Verfassungen in Krisenzeiten, Meinungsfreiheit], vergleichendes Verfassungsrecht, Verfassungstheorie und die Krise der Rechtsstaatlichkeit. Ihr 2020 erschienenes Buch »Ausnahmeverfassungsrecht« stand im selben Jahr auf der Sachbuch-Bestenliste von ZDF, Deutschlandfunk und DIE ZEIT und wurde mit dem Werner-von-Simson-Preis ausgezeichnet. Zuletzt war sie 2023/24 Fulbright-Stipendiatin und Senior Emile Noël Global Fellow an der New York University. 

Mouhamadou El Hady Ba: »Decolonial Coups d’Etat?«

Mit Joseph Vogl

Donnerstag, den 18. Dezember 2025 | 19.15 Uhr | Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10117 Berlin

Weitere Informationen folgen.

MOUHAMADOU EL HADY BA: Philosoph und Kognitionswissenschaftler; Außerordentlicher Professor für Philosophie an der Université Cheikh Anta Diop in Dakar. Zu seinen Fachgebieten gehören Logik, Epistemologie und Wissenschaftsphilosophie. Daneben befasst er sich mit politischer Philosophie und Kognitionswissenschaft. Als Gastwissenschaftler arbeitete Ba bereits an der Università di Torino, der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris sowie zuletzt 2021/22 als Fulbright-Stipendiat an der University of Connecticut und am Institute of African Studies der Columbia University. Er ist außerdem Gründungsmitglied und erster wissenschaftlicher Direktor des progressiven, unabhängigen und panafrikanischen Thinktanks Ipode. In dieser Funktion hat Ba unter anderem zu Terrorismus in der Sahelzone und politischen Problemkonstellationen in Westafrika gearbeitet.

Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.

Kim Lane Scheppele: »Counter-Constitutions«

Mit Ethel Matala de Mazza

Donnerstag, den 22. Januar 2026 | 19.15 Uhr | Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10117 Berlin

Weitere Informationen folgen.

KIM LANE SCHEPPELE: Soziologin; Laurance S. Rockefeller Professorin für Soziologie und internationale Angelegenheiten an der Princeton School of Public and International Affairs sowie am University Center for Human Values der Princeton University. Zu ihren Forschungsinteressen gehören der Aufstieg und Fall konstitutioneller Regierungen, wobei sie zu Entwicklungen in Ungarn und Russland ebenso wie in den USA, der EU und darüber hinaus geforscht hat. Neben umfangreichen Publikationen in sozial- und rechtswissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht Scheppele auch Gastbeiträge in der New York Times und schreibt regelmäßig für den Verfassungsblog. Sie war Gastprofessorin für Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität, der Erasmus Universiteit Rotterdam sowie an den Law Schools von Yale und Harvard.

Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.

Alan Pauls: »The Coup Factor«

mit Ulrike Vedder

Donnerstag, den 5. Februar 2026 | 19.15 Uhr | Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10117 Berlin

Weitere Informationen folgen.

ALAN PAULS: Roman- & Drehbuchautor, Essayist und Kritiker; Pauls studierte Literaturwissenschaften an der Universidad de Buenos Aires, wo er später als Professor für Literaturtheorie tätig wurde. Darüber hinaus war er Gastprofessor an der Princeton University und unterrichtete Kreatives Schreiben an der Universidad de Tres de Febrero [Buenos Aires] und der New York University. Er ist Gründer der Zeitschrift Lecturas críticas und arbeitete als Redakteur für die Tageszeitung Página/12. Sein Roman »El pasado« [2003; dt. »Die Vergangenheit«, 2009] gewann den spanischen Literaturpreis Herralde und wurde von Héctor Babenco verfilmt. Mit »Historia del llanto« [2007; dt. »Geschichte der Tränen«, 2010], »Historia del pelo« [2010; dt. »Geschichte der Haare«, 2012] und »Historia del dinero« [2013; dt. »Geschichte des Geldes«, 2016] entstand zwischen 2007 und 2013 eine Trilogie über die 1970er Jahre in Argentinien und die Geschichte der argentinischen Diktatur. Pauls lebt und arbeitet seit 2019 in Berlin. 

Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.


Die Reihe

Staatsstreiche. Zwischen Putsch und Verfassungscoup

Der moderne bürokratische Staatsapparat hat, so notierte Max Weber zu Beginn des 20. Jahrhunderts, »durch seine innere durchrationalisierte Struktur […] an die Stelle der ›Revolutionen‹ die ›Staatsstreiche‹ gesetzt«. Dieser Befund hat an Aktualität nichts verloren. Mehr noch erleben wir gegenwärtig eine weitere folgenreiche Verschiebung. An die Stelle des klassischen Putsches tritt in Europa wie in den Vereinigten Staaten die sukzessive Transformation der Verfassung in Form ihrer Aushöhlung von innen, die von gewählten Regierungen betriebene dynamische Erosion des Rechtsstaats und der Gewaltenteilung insgesamt. »Der demokratische Rückschritt beginnt heute an der Wahlurne«, schreiben Steven Levitsky und Daniel Ziblatt in ›How Democracies Die‹ [2018]. Zugleich gibt es, etwa in Westafrika, aktuelle Varianten von Militärputschen. Die Mosse Lectures wollen die Formen des Staatsstreichs historisch-systematisch beleuchten und nach den kulturellen Machtverschiebungen fragen, die mit ihm einhergehen. Welche Bedeutung kommt dem Staatsstreich in Zeiten einer allgemeinen »Wiederkehr des Autoritären« und einer Rekultivierung von Männlichkeit zu? Welche Rolle spielt der Aufstieg der Tech-Elite für die Schwächung demokratischer Institutionen? Welche neuen Perspektiven kann ein postkolonialer Blick auf Staatsstreiche eröffnen? Und lässt sich die Aushebelung von Demokratien durch die Identifizierung und Sichtbarmachung von Mustern rechtzeitig eindämmen? Die Mosse Lectures stellen diese Fragen mit Blick auf Europa, die Vereinigten Staaten, Westafrika und Südamerika. 

Das komplexe Spiel mit der Sichtbarkeit des Politischen kann Teil der Performanz von Staatsstreichen sein, die als Inszenierungen der Machteroberung eine ganz eigene Form der Theatralität aufweisen. Vom Putsch vor laufender Kamera bis hin zur Indienstnahme der sozialen Medien für Angriffe auf die Gewaltenteilung: Autokratische Machtübernahmen gleichen nicht selten einem politischen Schauspiel. Es ist nicht verwunderlich, dass sie so oft erzählt und verfilmt wurden. Ergänzt werden die Mosse Lectures in diesem Semester durch ein Begleitprogramm zu Staatsstreichen im Film, das in Kooperation mit dem Zeughauskino am Deutschen Historischen Museum in Berlin an fünf Abenden im Januar und Februar 2026 zu sehen sein wird.

Filmisches Begleitprogramm

Im Zeughauskino des DHM Berlin [Pei-Bau]

20. Januar 2026, 19 Uhr
Narben eines Putsches [B/AT 2025, R: Nathalie Borgers] 

27. Januar 2026, 19 Uhr
The Sixth [USA 2024, R: Andrea Nix Fine, Sean Fine] 

3. Februar 2026, 19 Uhr
Nostalgia de la luz [Chile/FR/D 2010, R: Patricio Guzmán] 

13. Februar 2026, 20 Uhr
Women Without Men / Zanan-e bedun-e mardan [D/AT/FR 2009,R: Shirin Neshat] 

17. Februar 2026, 19 Uhr
Soundtrack to a Coup D’Etat [B/FR/NL 2024, R: Johan Grimonprez]
Zusätzliche Informationen

Kontakt

Dr. Denise Reimann
Telefon: 030 2093-85033
info@mosse-lectures.de

Informationen zur Barrierefreiheit

Der Senatssaal der Humboldt-Universität (Unter den Linden 6) ist barrierefrei zugänglich.
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