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Dr. Friederike Seyfried
© visitBerlin, Foto: Sandra Steiß

Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums

Mein Lieblingsstück aus den Sammlungen

Der Widder vom Gebel Barkal

Unter den zahlreichen persönlichen Lieblingskindern der mir anvertrauten Sammlung vermag man sich kaum zu entscheiden, welchem Objekt man den Vorzug geben soll. Natürlich gehören neben vielen kleineren, eher unscheinbaren Objekten auch die berühmten Ausstellungsstücke, wie der Grüne Kopf, das kleine Porträtköpfchen der Königin Teje oder die Büste der Nofretete zu meinen Favoriten, aber auch Klassiker der altägyptischen Literatur, darunter die Lebensgeschichte des Sinuhe oder die des Lebensmüden, die im Niobidensaal des Neuen Museums verwahrt werden, sollten genannt werden.

Weit gereist 

Als besonderes Lieblingsstück soll nun aber der große Widder vom Gebel Barkal vorgestellt werden, der seit August 2022 wieder prominent im Neuen Museum im Griechischen Hof zu bewundern ist. Die Reise-Geschichte des Widders ist bemerkenswert: Entstanden um 1356 v. Chr. im unternubischen Soleb (ca. 500 km südlich von Assuan) wurde er von dort ca. 600 Jahre später nach Napata in einen Tempel am Gebel Barkal verbracht, um von dort im Jahr 1845 nach Berlin für das Neue Museum verschifft zu werden. In den letzten Jahrzehnten gastierte der Widder aus Platzgründen als Dauerleihgabe in Hildesheim und kehrte nach einer letzten Stippvisite im Louvre im Jahr 2022 wieder nach Berlin zurück.

Dr. Friederike Seyfried
© visitBerlin, Foto: Friederike Seyfried


Ein Widder als Verkörperung des Gottes Amun-Re und des Pharao 

Dieser monumentale Widder, stellt eine symbiotische Verkörperung des Schöpfer- und Sonnengottes Amun-Re und seines vergöttlichten Stifters, Pharao Amenophis III. (1388 – 1350 v. Chr.), dar und war ursprünglich nebst 11 weiteren Exemplaren, 4 monumentalen Falken- und 2 Löwenstatuen, paarweise entlang des Aufwegs zum Tempel von Soleb (Sudan) platziert. 

Handwerkliche Meisterleistung

Der in dieser Statue geglückt umgesetzte, theologische Geniestreich und seine Implikationen für die Wissenschaft sind für die Fachwelt schon Grund genug der besonderen Wertschätzung, aber hier soll die handwerkliche Meisterleistung an erster Stelle gewürdigt werden. Mit gekonntem Gespür für die Charakteristika, die einen ausgewachsenen Widder kennzeichnen, hat der Künstler dieses 2,3 Tonnen schwere Abbild aus grauem Granit geschaffen und dabei alle wichtigen Merkmale detailgetreu wiedergegeben. Besonders gelungen ist dies bei der rückwärtigen Ansicht, die einem offenbart, dass der Widder vollkommen natürlich und entspannt auf seiner rechten Hinterflanke ruht. Göttlichkeit und Natürlichkeithaben hier eine wunderbare Einheit gefunden.


Prof. Dr. Friederike Seyfried