Anlässlich des Pride Month, in dem die LGBTQ+ Community Vielfalt und Toleranz feiert, haben wir für euch die interessantesten Sonderausstellungen und Interventionen in bestehenden Sammlungen unter dem Sammelbegriff "queere Perspektiven" zusammengestellt. Angefangen mit Andy Warhol, über jüdische Positionen zum Thema Sexualität bis hin zu tradierten Rollenbildern, die durch antike Vorstellungen in Frage gestellt werden. Entdeckt neue Blickwinkel auf altbewährte Sammlungen und spannende Sonderausstellungen im Pride Month und noch darüber hinaus.
Tipp 1: Andy Warhol - Velvet Rage and Beauty in der Neuen Nationalgalerie
Der legendäre Künstler Andy Warhol war von den 1960er bis zu seinem frühen Tod in den 1980er Jahren in der intellektuellen und kreativen Szene New Yorks unterwegs, zu der auch viele Akteure und Akteurinnen der queeren Szene gehörten. Seine Eindrücke und die Menschen, die ihn in seinem Atelier und im berühmten Nachtclub Studio 54 umgaben, prägten die künstlerische Arbeit.
Der Titel der aktuellen Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie bezieht sich auf das 2005 erschienene Buch "The Velvet Rage" vom Psychologen Alan Dows. Der Autor beschreibt darin die Herausforderung, als homosexueller Mann in einer heterosexuell dominierten Gesellschaft aufzuwachsen. Die Ausstellung schlägt damit die Brücke zu Warhols eigener sexueller Identität, die in seinem Werk aufgrund herrschenden gesellschaftlicher Konventionen nur unterschwellig Ausdruck finden konnte.
Wann: Bis zum 6. Oktober
Wo: Neue Nationalgalerie, Potsdamer Straße 50, Mitte
Tipp 2: Andy Warhol - After the Party
Nach der Party ist vor der Party. Und nach der Andy Warhol Ausstellung ist vor der Andy Warhol Ausstellung. Diese Ausstellung fokussiert seine fotografischen Arbeiten und zeigt Momentaufnahmen von Besucher:innen des New Yorker Ateliers und den Alltag Warhols, wobei auch sexuell implizite Inhalte zu sehen sind. Die gezeigten Fotografien sind Leihgaben aus James R. Hedges IV Collection in Los Angeles und der Jack Shainman Gallery in New York.
Wann: Noch bis zum 15. September
Wo: Fotografiska Berlin, Oranienburger Str. 60, Mitte
Andy Warhol - After the Party
Tipp 3: "Like a Whirlwind" im Freiraum für Fotografie
Im f³ Freiraum für Fotografie könnt ihr aktuell die Ausstellung "LIKE A WHIRLWIND – Die Genderplays von Marie Høeg & Bolette Berg" besuchen. Diese beschäftigt sich mit fotografischem Material, das eher selten zu finden ist: Crossdressing Aufnahmen aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.
In der geschützten Atmosphäre ihres Ateliers schufen die beiden norwegischen Fotografinnen, die auch ein Paar waren, besondere Szenen. Sie stellen Geschlechterrollen in Frage und kleiden sich unkonventionell - die Fotografien durften zu damaliger Zeit natürlich nicht an die Öffentlichkeit gelangen und sind dafür heute umso interessanter.
Wann: Bis zum 25. August
Wo: f³ Freiraum für Fotografie, Waldemarstraße 17, Mitte
Like a Whirlwind
Tipp 4: Jüdische Positionen zum Thema Queerness
In der tabulosen Ausstellung "Sex. Jüdische Positionen" im Jüdischen Museum Berlin erwarten euch interessante Einblicke in die vielfältigen Konzepte von Sexualität, die innerhalb des Judentums ausgelebt werden. Dazu gehören natürlich auch queere Facetten des Jüdisch-Seins.
Die Ausstellung umfasst sowohl künstlerische Objekte als auch multimediale und historische Zugänge. Daneben gibt es auch eine Vielzahl interessanter digitaler Begleitangebote.
Wann: Bis zum 6. Oktober
Wo: Jüdisches Museum Berlin, Lindenstraße 14, Kreuzberg
Tipp 5: Ein queerer Blick auf die ethnologische Sammlung im Humboldt Forum
Die ethnologische Sammlung im Humboldt Forum ist für sich genommen schon eine Wundertüte des Sehenswerten. Aber wenn ihr die Objekte einmal aus einer neuen Perspektive betrachten möchtet, könnt ihr dies in dieser speziellen Führung mit dem Titel "Jenseits der Norm? Ein queerer Blick auf Geschlechter und Sexualitäten in der ethnologischen Sammlung".
Wie drücken sich Paarbeziehungen und Geschlechterrollen in den Gegenständen verschiedener Kulturen aus? Und wie haben die Forscher:innen, die die Artefakte einst nach Europa brachten, diese vor ihrem eigenen kulturellen Hintergrund umgedeutet?
Wann: 3., 10., 17., 24. und 31. Juli
Wo: Ethnologisches Museum, Humboldt Forum, Mitte
Jenseits der Norm?
Tipp 6: Schwules Museum Berlin
Im Schwulen Museum gibt es derzeit zwei interessante Ausstellungen zu sehen. Nummer eins befasst sich mit der Geschichte queerer Bewegungen in Deutschland und reist als Wanderausstellung in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und der Bundeszentrale für Politische Bildung um die Welt. Nummer zwei nimmt sich dem tabuisierten Thema Sexarbeit an und beleuchtet die Schnittmengen zur queeren Community, wobei unter anderem historische Aspekte beleuchtet werden.
Wann: Noch bis 30 September und 11. November
Wo: Schwules Museum Berlin, Lützowstraße 73, Mitte
Zum Schwulen Museum
Tipp 7: Queeres Filmschaffen in der Deutschen Kinemathek
Diese Kuratorenführung eröffnet euch neue Perspektiven auf die umfangreiche Sammlung der Deutschen Kinemathek. Dabei werden verschiedene Darstellungen von queeren Personen im Film thematisiert, und ihr lernt mehr über die Hintergründe der Exponate und des queeren Filmschaffens.
Wann: 28. Juli
Wo: Deutsche Kinemathek, Potsdamer Straße 2, Mitte
Tipp 8: "Ruins of Rooms" im KW Institute of Contemporary Art
Hier erwartet euch ein Dialog von Zeichnungen, Gemälden und Fotografien der Künstler Jimmy DeSana und Paul P. Die beiden Künstler, die sich sich zeitlich knapp verpasst haben - DeSana starb in den 1990ern an den Folgen einer AIDS Erkrankung, Paul P.'s künstlerisches Schaffen beginnt in den frühen 2000ern - widmen ihre Werke körperlichen Darstellungen und Portraits. Trotz ihres zeitlich versetzten Wirkens lassen sich übergreifende, universelle Themen in ihrer Kunst feststellen.
Wann: Noch bis zum 20. Oktober
Wo: KW Institute of Contemporary Art, Auguststraße 69, Mitte
Ruins of Rooms
Tipp 9: Queere Perspektiven auf die Sammlung des Hamburger Bahnhofs
Auch im Hamburger Bahnhof, der Nationalgalerie der Gegenwart, gibt es einen Rundgang, der sich speziell auf das Thema LGBTQ+ fokussiert. Die konventionelle Leseart der Kunstwerke wird bei dieser einstündigen Führung herausgefordert, queere Connections in der Sammlung werden näher erläutert. Nutzt die Gelegenheit und schaut euch außerdem die Werke der Preisträger:innen des "Preis der Nationalgalerie" an, darunter auch Daniel Lie, der/die sich als trans-nonbinär identifiziert.
Wann: 29. Juni, 13. Juli, 10. August
Wo: Hamburger Bahnhof, Invalidenstraße 50/51, Mitte
Hamburger Bahnhof - Queer betrachtet
Tipp 10: Der zweite Blick im Bode-Museum
In einer Kooperation mit dem Schwulen Museum Berlin hat das Bode-Museum unter dem Titel "Der zweite Blick: Spielarten der Liebe" fünf Rundgänge durch die bestehende Sammlung entwickelt, die euch in die queeren Bezugspunkte einführen. Diese umfasst Skulpturen und Bilder aus der Spätantike bis zum frühen 19. Jahrhundert und ermöglicht euch somit einen Einblick darin, wie das Verständnis von Sexualitäten und Geschlechteridentitäten sich über die Jahrhunderte gewandelt hat. Die Rundgänge könnt ihr innerhalb der Öffnungszeiten des Museums eigenständig erkunden.
Wann: Mittwoch bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 10 bis 18 Uhr
Wo: Bode-Museum, Am Kupfergraben, Mitte
Der zweite Blick: Spielarten der Liebe
Tipp 11: Queere Sichtbarkeit in der Sammlung der Berlinischen Galerie
Dieses virtuelle Projekt namens "Out and About. Queere Sichtbarkeiten in der Sammlung" prüft systematisch die Sammlung der Berlinischen Galerie auf queere Lesbarkeiten. Neben dem Team aus Volontär:innen, das die Ergebnisse online zugänglich macht, setzen sich geladene Autor:innen mit den Arbeiten auseinander.
Die Sammlung der Berlinischen Galerie, die in Berlin entstandene Kunstwerke ab 1870 umfasst, eröffnet zahlreiche interessante Perspektiven. Nicht nur waren viele Künstler:innen selbst Teil der queeren Szene in Berlin, auch gibt es Werke, die Zeiten politischer Verfolgung und fehlender gesellschaftlicher Akzeptanz greifbar machen.
Wann: Bis zum 30. November
Wo: Virtuell unter berlinischegalerie.de/out-and-about
Out and about in der Berlinischen Galerie