Stalin, eigentlich Jossif Dschugaschwili, jung auch Sosso oder Koba gerufen, ist bereits ein geschulter Revolutionär – militant, radikal, kompromisslos – als er 1901 nach Batumi ans Schwarze Meer geschickt wird, zu einer Propagandamission.
In Batumi endet die Eisenbahnstrecke aus Baku, wo Erdöl gefördert wird, das für die halbe Welt bestimmt ist. Nach Batumi per Zug gebracht, wird das Petroleum auf Schiffe verladen, und tausende Arbeiter knüppeln in Öllagern und Fabriken.
1901 verdingt sich Stalin bei der französischen Rothschild’schen Fabrik im Lagerhaus. (Der andere wichtige Konzern ist das schwedisch-russische Unternehmen Nobel.)
Stalin organisiert ein Treffen mit über 20 kampfbereiten Arbeitern und bekehrt sie zur Härte. Tage später brennt Rothschilds Lager. Den Arbeitern, die löschten, wird die zustehende Prämie verwehrt. Für Stalin willkommener Anlass zum Streik. Er agitiert dann auch Arbeiter eines armenischen Ölmagnaten. Die Streikenden erkämpfen im Februar 1902 Lohnerhöhungen von 30 %.
Das Management Rothschild verkündet Massenentlassungen, die Arbeiter streiken. Verhaftungen. Am 09. März wollen Hunderte Demonstranten das Gefängnis stürmen. Ein Offizier schießt, 13 Menschen kommen zu Tode. Das „Massaker von Batumi“ steigert die Wut der Erniedrigten. Stalin muss das als Erfolg, gar als Sieg, verbucht haben. In dieser Zeit gibt Stalin seinen ersten Tötungsbefehl. Es traf einen Spitzel.
Im April 1902 wird ein Haus von Polizei umstellt, in dem Stalin eine konspirative Versammlung leitet. Er hat keine Chance. Anderthalb Jahre sitzt er ab und wird dann nach Sibirien verbannt.
Der Autor Michail Bulgakow hat diese Zeit, diese vorrevolutionären Situationen und Massenbewegungen in sein Stück Batum eingearbeitet, Stalin besonders als Helden gewürdigt, der es noch im Entstehungsjahr 1939 verbieten ließ. Bulgakow hatte stets ein schwieriges Verhältnis zu Stalin. Dieses Verstoßen hat ihn wahrscheinlich erst die Gesundheit und dann das Leben gekostet.
In jungen Jahren muss Stalin ein Januskopf gewesen sein. Er brannte für die Befreiung der Ärmsten, konnte andererseits keine Widerrede ertragen und setzte schnell auf Vernichtung, die er später millionenfach betrieb. Die Menschheitsbefreiung war nur noch Hülle. Wir denken mit unserem Konzert an die vielen mutigen Arbeiter, die am Schwarzen Meer die Fährte legten für weitere Streiks in Russland und angrenzenden Ländern, wie Rosa Luxemburg hier beschreibt:
„Der Ausbruch des kaukasischen Streiks im März des Jahres 1902 war anscheinend ebenso zufällig und von rein ökonomischen, partiellen, wenn auch ganz anderen Momenten erzeugt wie jener vom Jahre 1896. Er hängt mit der schweren Industrie- und Handelskrise zusammen, die in Rußland die Vorgängerin des japanischen Krieges und mit ihm zusammen der mächtigste Faktor der beginnenden revolutionären Gärung war. Die Krise erzeugte eine enorme Arbeitslosigkeit, die in der proletarischen Masse die Agitation nährte, deshalb unternahm es die Regierung, zur Beruhigung der Arbeiterklasse die „überflüssigen Hände“ nach ihren entsprechenden Heimatorten per Schub zu transportieren. Eine solche Maßnahme eben, die etwa 400 Petroleumarbeiter betreffen sollte, rief in Batum einen Massenprotest hervor, der zu Demonstrationen, Verhaftungen, einem Massaker und schließlich zu einem politischen Prozeß führte, in dem plötzlich die rein ökonomische, partielle Angelegenheit zum politischen und revolutionären Ereignis wurde. Der Widerhall des ganz „resultatlos“ verlaufenen und niedergeschlagenen Streiks in Batum war eine Reihe revolutionärer Massendemonstrationen der Arbeiter in Nishni Nowgorod, in Saratow, in anderen Städten, also ein kräftiger Vorstoß für die allgemeine Welle der revolutionären Bewegung.“
Rosa Luxemburg, Massenstreik, Partei und Gewerkschaften