1953 - Tage im Juni
Die Arbeiterklasse marschiert
Was würden Sie tun, wenn Ihr Lohn kurzfristig um 10 Prozent gesenkt wird? Als die DDR-Regierung 1953 beschließt, die geforderten Arbeitsnormen um 10% zu erhöhen, also faktisch die Löhne um diesen Betrag zu senken, ist das die Lunte am Pulverfass.
In schwieriger Lage
Die Situation in der jungen "sozialistischen" DDR ist bis dahin alles andere als zufriedenstellend. Hunderttausende verlassen das Land in Richtung Kapitalismus, die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Wohnraum ist fast 10 Jahre nach Kriegsende mangelhaft und das Vorgehen gegen die Kirche und privates Eigentum wird immer rigoroser.
Flächenbrand und Strohfeuer
Die Bauarbeiter des Prestige-Projekts "Stalinallee" (heute Karl-Marx-Allee) und des Krankenhauses Friedrichshain sind die ersten, die aus Protest die Arbeit niederlegen. In kurzer Zeit protestierten in der gesamten DDR rund eine Million Menschen weitgehend friedlich gegen die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der DDR. Sie fordern die Senkung der Normen, die Freilassung politischer Häftlinge, den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen und die Einheit Deutschlands. Das Gebäude des heutigen Finanzministeriums in der Wilhelmstraße/Leipziger Straße ist damals ein Zentrum der Regierungsgewalt und die demonstrierenden Bauarbeiter ziehen u.a. dort hin, um sich Gehör zu verschaffen. Die Führung der SED flüchtet sich ins Hauptquartier der sowjetischen Streitkräfte nach Berlin-Karlshorst.
Der Protest hat keine Chance
Aus Sicht der "herrschenden Arbeiterklasse" sind die Forderungen politisch inakzeptabel, und mit massivem militärischen Einsatz der sowjetischen besatzungstruppen wird der Protest bereits nach einem Tag am 17. Juni 1953 niedergeschlagen. Bereits in der Nacht auf den 17. Juni mobilisiert, rollen gegen Mittag die ersten Panzer. In der Mehrheit der Stadt- und Landkreise wird der Ausnahmezustand verhängt. So gelingt es den sowjetischen Truppen, den Aufstand zu ersticken. Bereits in der Nacht zum 18. Juni beginn die Stasi unter Leitung Erich Mielkes mit einer massiven Verhaftungswelle. Allein in Berlin werden in zwei Tagen über 1.700 Menschen verhaftet.
Trauma und Symbol
Die DDR-Führung reagiert auf den Aufstand mit zunächsrt mit materiellen Zugeständnissen. Der Aufbau der Streitkräfte und die Schwerindustrie wird zugunsten einer Produktionssteigerung von Nahrungs- und Konsumgütern wieder zurückgefahren, etliche Waren werden um 10 bis 25 Prozent billiger. Die Normerhöhungen werden zurückgenommen. Die Sowjetunion begrenzt die Besatzungskosten auf fünf Prozent des Staatshaushaltes der DDR und ab 1954 verzichtet sie auf die Kriegsreparationen und liefert sogar Getreide. Großbetriebe in sowjetischem Besitz werden der DDR als Staatsbesitz übereignet. Für die Machthaber war der Aufstand 1953 ein Trauma und es hielt bis 1989 an. Das Datum und das Thema sind 36 Jahre lang ein absolutes Tabu. Die Stasi beobachtete die Meinungsäußerungen zum Aufstand in den folgenden Jahren genau und jedes Jahr zum Juni hin erhöhen sich Anspannung und Aktivität bei SED und Staatssicherheit.
Denkmal für die Ereignisse des siebzehnten Juni neunzehnhundertdreiundfünfzig
Seit Juni 2000 befindet sich auf dem Vorplatz des Bundesministeriums der Finanzen das „Denkmal für die Ereignisse des siebzehnten Juni neunzehnhundertdreiundfünfzig“ von Wolfgang Rüppel. Das in den Boden eingelassene Glasbild zeigt ein mehrfach vergrößertes, grob gerastertes Foto von Streikenden auf dem Weg zum damaligen "Haus der Ministerien". Informationstafeln berichten über die Vorgeschichte und den Verlauf des Protestzugs. Und seit 2003, dem 60. Jahrestag des Volksaufstandes, heißt der Vorplatz vor dem Eingangsbereich in der Leipziger Straße „Platz des Volksaufstandes von 1953“.