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Fassadendetail der Weißen Stadt, Bauhaus Architektur Berlin
Fassadendetail der Weißen Stadt, Bauhaus Architektur Berlin © Foto: Steve Simon

Weiße Stadt

Die Großsiedlung Schillerpromenade in Berlin

Die Weiße Stadt in Berlin im Bezirk Reinickendorf entstand zwischen 1929 und 1931 und zählt heute zu den sechs weltbekannten Siedlungen der Berliner Moderne.

Ende der 1920er Jahre hat Stadtbaurat Martin Wagner ein Problem: Die Einnahmen aus der Hauszinssteuer, die er 1924 zur Finanzierung des sozialen Siedlungsbaus eingeführt hat, nehmen aufgrund der schlechten Wirtschaftslage rapide ab. Dennoch muss er weiteren Wohnraum schaffen. Besonders dringend wird ein Angebot an kleinen Wohnungen benötigt.

Mehr Raum für Experimente

Wagner richtet ein Sonderbauprogramm ein und stellt 15 Millionen Reichsmark aus Haushaltsmitteln zur Verfügung. Ohne das Hauszinssteuergeld müssen sich die Architekten nicht länger an Auflagen halten, wie etwa hinsichtlich Geschosshöhen oder Zimmergrößen. Das ist eine verlockende Option, die mehr Freiraum verheißt.
Drei Architekten, Wilhelm Büning, Bruno Ahrends und Otto Rudolf Salvisberg, erhalten von Wagner den Auftrag, im Berliner Stadtteil Reinickendorf entlang der Schillerpromenade (der heutigen Aroser Allee) mehr als 1.200 neue Wohnungen zu bauen.
Trotz des größeren Gestaltungsspielraums ist eine kostensparende Bauweise auch hier oberstes Gebot. Das beste Mittel, um Geld zu sparen: die Vereinheitlichung aller Elemente wie Türen, Fenster und Treppenhäuser. Sogar auf eine gemeinsame Haustiefe von exakt 9,40 Meter verständigen sich die drei Architekten.

Eine der Maßnahmen prägt die Anmutung der Siedlung: Der einheitlich aufgetragene weiße Putz sorgt für ihr unverwechselbares Aussehen und verleiht ihr den Beinamen „Weiße Stadt“.

Fassadendetail der Weißen Stadt, Bauhaus Architektur Berlin
Fassadendetail der Weißen Stadt, Bauhaus Architektur Berlin © Foto: Steve Simon

Weiße Häuser, dreimal variiert

Salvisberg entwirft das städtebauliche Konzept. Gemeinschaftlich genutzte Grünflächen, eine Mischung aus Rand- und Zeilenbauweise. Das Zentrum bildet die Aroser Allee, mit einem von Salvisberg selbst entworfenen Brückenbau in ihrer Mitte.

Der Blick durch die Allee ist noch heute das bekannteste Bild der Siedlung. Dem Betrachter, der von der Emmentaler Straße her ankommt, schieben sich hier zuerst die Torbauten von Ahrends ins Sichtfeld. Mit ihren fünf Geschossen überragen sie die restlichen Gebäude und geben der Siedlung den Charakter einer Festung.

Weiße Stadt
Landesdenkmalamt Berlin © Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Wolfgang Bittner
  • Eine Wirkung, die Ahrends durch weitere Elemente unterstreicht: Die winzigen Fenster im Dachgeschoss wirken wie Schießscharten, dazu kommen fest installierte Fahnenstangen. Der Architekt betont damit die ideologische Seite der neuen Siedlung als die einer loyalen Gemeinschaft.
    Ebenfalls von Ahrends stammen die Zeilenbauten entlang der Aroser Allee. Er gibt ihnen mithilfe expressionistischer Elemente ein individuelles Aussehen: So sind die Treppenhäuser durch Ziegelsteine eingefasst und die Fenster- und Türrahmen in leuchtenden Farben von den hellweißen Fassaden abgesetzt.
  • In der Mitte der Aroser Allee thront das Brückengebäude, ein 40 Meter breiter Stahlbetonbau von Otto Rudolf Salvisberg auf vier Stützenreihen. Der Entwurf wirkt elegant, beinahe wie schwerelos zwischen den Häuserzeilen zur Linken und zur Rechten. Als Bautypus ist Salvisbergs Konstruktion ein sogenanntes Laubenganghaus. Das heißt, dass die Bewohner über außen liegende Eingänge in die Wohnungen gelangen. Damit kann der Architekt ein Treppenhaus einsparen und stellt gleichzeitig die gute Durchlüftung der Wohnungen sicher, ganz im Sinne des Neuen Bauens.
  • Der Architekt Wilhelm Büning konzentriert sich vor allem auf Zeilenbauten. Strenggenommen verlangt dieses Grundprinzip eine Ausrichtung aller Gebäude in Nord-Süd-Richtung. Dadurch entstehen in den Wohnungen ideale Lichtverhältnisse. Daran hält sich Büning jedoch nicht, er ordnet seine Häuser zwischen Genfer Straße und Schillerring fächerförmig an. Seine eingerahmte Treppenhausfenster sind ein Hingucker, und die überstehenden Teile der Dächer setzen sich farbig von den weißen Fassaden ab.

Zusammen ist man weniger allein

Die Außenanlagen der Weißen Stadt gestaltet der Landschaftsarchitekt Ludwig Lesser. Er hat bereits bei einer anderen Siedlung mitgewirkt, der Gartenstadt Falkenberg. Anders als dort legt er nun keine Mietergärten mehr an, sondern entwirft vor allem gemeinschaftlich nutzbare Flächen. Grüne Räume, mit Kinderspielplätzen und Sitzgelegenheiten, die auch von den Erwachsenen angenommen werden.

Diesen gemeinschaftlichen Aspekt der Siedlung ergänzt der ungewöhnlich hohe soziale Standard der Weißen Stadt. Die Bewohner haben Zugang zu vielen Versorgungseinrichtungen, wie einem Kindergarten, einer Arztpraxis und mehr als 20 Ladengeschäften. Ein Fernheizwerk mit einer angeschlossenen Wäscherei macht die Siedlung auch beim Energiebedarf autark.
Die Weiße Stadt gilt schon kurz nach ihrer Fertigstellung als gelungenes Beispiel für den modernen Siedlungsbau. Fotos von den weißen Fassaden erscheinen in der internationalen Presse. Während des Zweiten Weltkriegs kommt es zu Schäden, deren Reparatur unter der Leitung von Wilhelm Büning in den Jahren 1949 bis 1954 erfolgt.

Die Siedlung gehört gemeinsam mit der im selben Zeitraum erbauten Großsiedlung Siemensstadt, der vor dem ersten Weltkrieg errichteten Gartenstadt Falkenberg, der Hufeisensiedlung, der Wohnstadt Carl Legien und der Siedlung am Schillerpark seit 2008 zum UNESCO-Welterbe.

Weiße Stadt, Bauhaus Architektur in Berlin Reinickendorf
Weiße Stadt, Bauhaus Architektur in Berlin Reinickendorf © Foto: Steve Simon

Unsere Tipps rund um die Weiße Stadt

Mit dem Bus 120 ist eine weitere Welterbesiedlung gut zu erreichen. Von der Haltestelle an der Weißen Stadt nehmen Sie den Bus 120 bis zur Bristolstraße. Ein kurzer Fußweg führt Sie zu Bruno Tauts Siedlung Schillerpark. Der Bus 120 bringt Sie auch direkt zum Hauptbahnhof. Auf dem Weg in Richtung Innenstadt können Sie weitere spannende Orte entdecken.
Am Leopoldplatz lädt Karl Friedrich Schinkels Alte Nazarethkirche zu einem Stopp ein. Auf der Strecke, unweit der Haltestelle Gerichtsstraße, kann das Kunstquartier Silent Green im ehemaligen Krematorium besichtigt werden. An der Haltestelle Bundeswehrkrankenhaus lohnt sich zur Entschleunigung der Ausstieg und ein Besuch des sehenswerten Invalidenfriedhofs.

Umfassende Informationen zu den Bauten der Berliner Moderne und ihrer Geschichte finden Sie auf unserer Webseite:

Zur Architektur der Berliner Moderne

Grand Tour der Moderne

Zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum im Jahr 2019 entwickelte der Bauhausverbund eine Grand Tour der Moderne, die Architekturfans durch ganz Deutschland führt. Die Weiße Stadt ist Bestandteil dieser Themenroute.

Die weiteren Berliner Standorte als Grand Tour der Berliner Moderne:

Grand Tour der Berliner Moderne

Praktische Infos von visitBerlin

Die Großsiedlung Schillerpromenade erreichen Sie vom Alexanderplatz mit der U-Bahn-Linie 8 am U-Bahnhof Paracelsus-Bad. Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.

Eine Bitte in eigener Sache

Die Weiße Stadt ist ein ausgewiesenes Flächendenkmal. Gleichzeitig ist sie aber auch das Zuhause vieler Menschen, die hier wohnen und arbeiten. Diese pflegen das Denkmal und helfen, die Erinnerung zu bewahren.

Bitte berücksichtigen Sie dies bei Ihrer Besichtigung. Vielen Dank!